Bildung Bewegt Nr 13

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NR.13 JUN/2011

Mit den Augen der Lernenden Erfolgreich lernen – was wirklich wirkt Investitionen in Fortbildung sind Investitionen in die Zukunft Interview mit Prof. Dr. Lipowsky

going? Where am I oing? How am I g xt? Where to ne

EDITORIAL

Frank Sauerland / Amtsleiter

Sabine Stahl / Chefredakteurin

Und sie wirkt doch… Effekte professioneller Lehrerbildung kommen bei den Lernenden an Liebe Leserinnen und Leser, da steht es also auf rund 400 Seiten, schwarz auf weiß, durch über 50.000 Studien belegt und bewiesen: Die Bedeutung der Lehrkraft für den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern ist immens. Ihre Einstellungen, Haltungen und konkreten unterrichtlichen Verhaltensweisen sind wirksamste Einflussfaktoren für erfolgreiche Lernprozesse. Und: Lehrerbildung wirkt, wenn sie bestimmte „Konstruktionsmerkmale“ erfüllt. Das klingt zunächst wie eine Binsenweisheit. Aber was folgt daraus? Dass Lehrkräfte eine gute Handvoll beeinflussbarer, hochwirksamer Lehr-Lern-Komponenten – wie etwa Feedback, aktivierende Lernstrategien, evaluative Ausrichtung – beherrschen müssen. Dass das Beherrschen dieser „Tools“ allerdings sehr hohe Ansprüche an die Lehrperson stellt, was für die Notwendigkeit gründlicher Lehrerausbildung spricht (S.12). Dass folglich auch die fachspezifische Lehrerfortbildung einen erheblichen Beitrag für gelingenden Unterricht liefert (S.6). Und dass derart aus- und fortgebildete Lehrpersonen Basis und Fundament für den Lernerfolg von Schülerinnen und Schüler sind, und Investitionen in die Fortbildung Investitionen in die Zukunft sind (S.14). Die Botschaft ist also klar: Bildet Lehrkräfte aus, die die Lehr- und Lernprozesse sichtbar machen (S.9), sichert hochwertige Lehrerbildung und gewährleistet anspruchvolle Fortbildung, die die Fundamente guten Unterrichts zum Inhalt haben. Und nutzt dabei Anbieter die über die notwendigen strukturellen, fachlichen Voraussetzungen und Kenntnisse verfügen, damit die Erkenntnisse der Lehr-Lernforschung auch ihren Weg in die schulische Praxis finden! Wenn Schule auf einen Fundus solcher Lehrkräfte zurückgreifen kann, dann wird ein bildungspolitisches Topthema wie die Selbstständige Schule beinahe zum Selbstläufer, dann werden Risikogruppen schwacher Leser der Vergangenheit angehören, dann werden viele aktuell bestehenden Hemmnisse inhaltlich gelöst werden, und vielleicht entwirrt sich dann auch manch verworrene Strukturdebatte ... Auf die Lehrkraft kommt es an! Lesen Sie selbst, mit Ihren Augen und den Augen der Lernenden.

Frank Sauerland Sabine Stahl Amtsleiter Chefredakteurin

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BILDUNG BEWEGT NR.13 JUN/2011

INHALT

Amt für Lehrerbildung

4 Mit den Augen der Lernenden

Erfolgreich lernen – was wirklich wirkt

EDITORIAL Und sie wirkt doch… ............................................................ 2 Effekte professioneller Lehrerbildung kommen bei den Lernenden an

Leitartikel Mit den Augen der Lernenden ........................................... 4 Erfolgreich lernen – was wirklich wirkt

Nachgefragt Investitionen in Fortbildung sind Investitionen in die Zukunft ....................................... 10 Interview mit dem Kasseler Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Lipowsky

Bildung im Blick going? Where am I oing? How am I g t? Where to nex

Antworten aus dem Geist der Freiheit ............................ 15 Von der Praxis für die Praxis, eine Fachtagung im Zeichen der Selbstständigen Schule Wie Lesekompetenzen Jugendlicher wirksam verbessert werden können ............................... 18 Ergebnisse der europäischen Studie ADORE Next Generation ................................................................. 20 Klassenzimmer verwandeln sich in multimediale Lernzentren

10 Investitionen in Fortbildung

sind Investitionen in die Zukunft Interview mit Prof. Dr. Lipowsky

25 Visible Learning – Betrachtungen

zur Publikation von John Hattie

Fortbildungsplanung am Amt für Lehrerbildung – .............................................. 22 Koordination und Steuerung

Erforscht und Entwickelt Visible Learning .................................................................. 25 Betrachtungen zur Publikation von John Hattie

Pinboard

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Adressen & Ansprechpartner IMPRESSUM

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BILDUNG BEWEGT NR.13 JUN/2011

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LEITARTIKEL

Mit den Augen der Lernenden Erfolgreich lernen – was wirklich wirkt Kennen Sie John Hattie? Nein? Dann haben Sie nun die Gelegenheit, den neuseeländischen Bildungsforscher etwas näher kennen zu lernen. Er ist mit seiner Arbeit zunehmend präsenter in der Fachwelt der Schul- und Unterrichtsentwicklung, und seine Erkenntnisse könnten dazu beitragen, den Unterricht und die Aus- und Fortbildung nachhaltig zu verändern. „Visible Learning“ nennt sich Hatties Werk aus dem Jahr 2009, das heute schon als Meilenstein der empirischen Bildungsforschung gilt.

H

attie präsentiert eine Studie, an der er über ein Jahrzehnt gearbeitet hat. Herausgekommen ist eine Gesamtschau über 138 Einflussfaktoren zum Lernerfolg. Die Frage, was denn nun wirkt in der Schule, warum Kinder besser oder weniger gut lernen, ist damit sicher nicht endgültig beantwortet. Es ist aber denoch dringend zu empfehlen, sich eingehender mit den Ergebnissen dieser Forschungsarbeit zu befassen, bietet sie doch in ihrer Breite einen einmaligen Erkenntnisstand.

beziehen. Durch ein eigens dafür entwickeltes Forschungsdesign gelingt es ihm, alle Studien heranzuziehen, die bislang in englischer Sprache über Einflussfaktoren zum Lernerfolg vorlagen. Umso erstaunlicher ist, dass der Forscher auf diesem hohen Abstraktionsniveau seinen konkreten Forschungsgegenstand niemals aus den Augen verliert. Doch abgesehen von der gro-

ßen Datenmenge, woran liegt es, dass Hattie in den Bildungsinstitutionen auf wachsendes Interesse stößt? Das beginnt schon bei der enormen Zahl von 138 Einflussfaktoren für den Lernerfolg, die Hattie entlang der Leitfrage prüft: What works best? Er identifiziert jene Faktoren, deren „Wirkung“ für den Lernerfolg am stärksten sind, um sie von denen zu unterschei-

Studie mit größter Datenbasis Hatties Studie ist eine „Meta-Studie“, genauer gesagt wertet er rund 800 internationale „Meta-Studien“ aus, die sich wiederum auf ca. 50.000 Studien

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going? Where am I oing? How am I g xt? Where to ne

LEITARTIKEL den, die nur einen geringen Effekt ausüben. In der daraus abgeleiteten Werteskala belegen Variablen, die sich auf den Unterricht und das Lehrerverhalten beziehen, die vorderen Positionen. Und das sind Einflussfaktoren wie klares Lehrerverhalten, reziprokes Lehren und Lernen als Methode der Texterschließung, variantenreiches, motivationsförderndes Feedback an die Lernenden und – noch wirkmächtiger, so Hattie – als Rückmeldung der Lernenden an die Adresse der Lehrenden1 die gedankliche Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit dem eigenen Lernen durch metakognitive Verfahren sowie Lehrer-SchülerInteraktionen. Damit werden viele Praxiselemente des Amtes für Lehrerbildung in Aus- und Fortbildung gestützt, denn die hier skizzierten Ansätze zur Förderung des Lernerfolgs gehören seit Jahren zum inhaltlichen Repertoire der Aktivitäten des Amtes. Am Ende der „Hattie-Rangskala“ befinden sich überwiegend strukturbezogene Einflussfaktoren wie etwa Klassengröße oder -wiederholung. Auch Merkmale in Zusammenhang mit einer klassen-, schultyp- oder schulformbezogenen Eingruppierung der Schülerinnen und Schüler nach ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Geschlecht oder Leistungsfähigkeit, sind nicht sonderlich „wirkungsvoll“ und finden sich in den unteren Rängen der Werteskala wieder. So viel Einfluss hat die Lehrkraft In einer kürzlich veröffentlichten Allensbach Umfrage äußerten sich Lehrerinnen und Lehrer äußerst selbstkritisch über die eigene Rolle und Funktion. 48 Prozent der Lehrkräfte vermuteten, sie hätten nur wenig oder keinen Einfluss auf die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Nur acht Prozent glaubten demnach, dass ihre Arbeit für die Jugendlichen relevant sein könnte. John Hatties Forschungen stützen diesen „professionellen Pessimismus“ nicht. Im Gegenteil bietet die Studie eine empirische Bestätigung der herausragenden Bedeutung, die die Lehrperson für den Lernerfolg der Kinder hat. Die Formel „auf den Lehrer bzw. auf die Lehrerin kommt es an“ scheint demnach kein bloßes Wunschdenken zu sein. Hattie schätzt den Anteil, den Lehrkräfte neben anderen bedeutsamen Einflussfaktoren wie „Peergroup“ oder soziale Milieus am Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler erreichen, auf ca. 30 – 32 Prozent. Nach Expertenmeinung ist dies ein ermutigend hoher Wert.

Unterricht mit den Augen der Lernenden sehen Angesichts der besonderen Wirksamkeit personaler und unterrichtsbezogener Einflussgrößen empfiehlt der neuseeländische Forscher zwei Grundhaltungen, die er als entscheidend für den Unterrichtserfolg ansieht. Die erste lautet, die Unterrichtsgestaltung mit den Augen der Lernenden zu sehen: „If the teacher’s lens can be changed to seeing learning through the eyes of students, this would be an excellent beginning.“ Als Zweites verweist er auf den zentralen Stellenwert der evaluativen Ausrichtung beim Lehren und Lernen: Wo stehen die einzelnen Lernenden? Was könnte der nächste Lernschritt sein? Durch solche Fragen richtet sich alle Aufmerksamkeit auf Informationen, die den Lernstand, Lernperspektiven, Lernprozesse und Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler „sichtbar“ machen. Nicht umsonst trägt die Studie den Titel: Visible Learning. Die für den Lernerfolg bedeutenden Faktoren beziehen sich nicht nur auf die Rolle der Lehrperson, sondern auch auf die Lernenden selbst. Die Motivation, die persönliche Wahrnehmung des Unterrichts und der Lehrkraft, aktive Lernarbeit und individuelle Lernstrategien spielen eine wichtige Rolle für den Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler. Hattie vervollständigt seine Sicht auf den schulischen Mikrokosmos

sie (…) eine transparente Zielbeschreibung realisiert werden konnte. Sie haben nach Abschluss einer langen Unterrichtseinheit sowohl mir als auch der Lerngruppe einen detaillierten Überblick darüber verschafft, was bisher (…) gelehrt wurde. Die Schülerinnen und Schüler sahen sich durch die Bearbeitung dazu in die Lage versetzt, ihren Lernstand und somit ihre Stärken und Schwächen kennenzulernen, während ich als Lehrkraft einen Eindruck davon gewonnen habe, was die Klasse konkret gelernt hat. Dabei musste ich mir zwangsweise die Frage stellen, warum in einigen Bereichen eine Diskrepanz zwischen Gelehrtem und Gelerntem aufgetreten ist. Was uns automatisch auf die Metaebene geführt hat, da auf Grund der Erkenntnisse der Selbstdiagnosebögen Gespräche über Lernprozesse stattgefunden haben (...). Dies (…) habe ich als Anlass genommen, über meinen eigenen Unterricht zu reflektieren und mögliche Fehlerquellen ausfindig zu machen. Gleichzeitig konnte ich jedoch auch die Schülerinnen und Schüler dazu bringen, das eigene Lernen zu hinterfragen und zu bestimmen, was konkret getan werden muss, um bestimmte Kompetenzen doch noch zu erreichen. Langfristig soll diese Vorgehensweise jeden Einzelnen im Sinne der Selbstwirksamkeit dazu befähigen, eigene Lernprozesse effektiver zu gestalten. (…)

Die Motivation, die persönliche Wahrnehmung des Unterrichts und der Lehrkraft, aktive Lernarbeit und individuelle Lernstrategien spielen eine wichtige Rolle für den Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler.

des Lernens konsequent, wenn er seiner ersten Anregung „teachers see learning through the eyes of the student“ die Forderung folgen lässt: „Students see themselves as their own teacher.“ Wie aber kann ein solcher Wechsel zwischen der Perspektive des Lehrens und des Lernens im Unterricht aussehen? Was bedeutet es, die Rolle des „teacher as evaluator“ wahrzunehmen und über Lehrstrategien zu reflektieren? Ein Blick auf die Ausbildungsarbeit hessischer Studienseminare hilft hier weiter. So schildert eine Lehrkraft im Vorbereitungsdienst in einem Erfahrungsbericht sehr authentisch Nutzen und Erkenntniswert vom Einsatz evaluativer Instrumente: „Die Selbstdiagnosebögen haben (…) wertvolle Arbeit geleistet, da durch

Bemerkenswert waren (…) die Modifikationsvorschläge der Schülerinnen und Schüler für meinen Unterricht, die sehr dabei geholfen haben, die Passungsphase zu planen.“ (Auszug aus einem Erfahrungsbericht einer Lehrkraft im Vorbereitungsdienst, 7. Klasse, mit red. Änderungen) Die Reflexionen der jungen Lehrkraft stehen in Übereinstimmung mit Hatties empirischen Ergebnissen: Den Unterricht mit den Augen der Lernenden zu sehen und Lernstand, -perspektiven, -prozesse und -erfolge der Schülerinnen und Schüler „sichtbar“ zu machen, sind wichtige Erfolgsfaktoren für gelingenden Unterricht. Die eingangs gestellte Frage, warum Hattie eine wachsende Aufmerksamkeit erfährt, kann somit vorläufig BILDUNG BEWEGT NR.13 JUN/2011

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LEITARTIKEL beantwortet werden. Er fasziniert vor allem deswegen, weil er mit seiner Studie den Blick auf den eigentlichen Kern von Schule richtet, nämlich auf das Lernen und den Unterricht, auf die Beziehungen und das klassische Verhältnis zwischen Lehrendem und Lernendem. „What works best?“ ist daher nicht zufällig eine der Leitfragen in seinen Forschungsarbeiten. Sie führt zu Fragestellungen, die sich unmittelbar auf die schulische Praxis beziehen. Erfolgsgaranten für effektives Lernen In seiner Gesamtsicht auf den Unterricht identifiziert Hattie Faktoren wie „formative evaluation“, „teacher clarity“, „feedback“, „teaching strategies“ oder „classroom management“ als wirksamste Lehr- und Lernstrategien auf der Seite der Lehrkräfte. Auf Schülerseite nennt er: „metacognitive strategies“, „self-verbalization, self-questioning“, „study skills (Lerntechniken)“, „reciprocal teaching“. Aber was folgt daraus? Was bedeuten diese Forschungsergebnisse für Praktiker aus Aus- und Fortbildung? Sie zeigen beispielsweise auf, wie eng Lehren und Lernen miteinander verzahnt sind; wie sich am Beispiel „formative evaluation“ (Lehrerseite) und „self-verbalisation“, „metacognitive strategies“ sowie „reciprocal teaching and learning“ (Schülerseite) verdeutlichen lässt. Formative Verfahren sind Impulsgeber eines schülerzentrierten, zyklisch ausgelegten Unterrichtsprozesses. Sie stehen, anders als summative Lernkontrollen wie etwa Abschlussprüfungen, nicht am Ende eines Lernprozesses, sondern liefern fortlaufende Standortbestimmungen und geben damit Orientierung im Lernprozess selbst. Die quantitativen und qualitativen Daten, die im Rahmen formativer Lernstandserhebungen von Lehrkräften und Lernenden ermittelt werden, sind Grundlage für Entscheidungen über nächste individuelle Lernschritte. Unterrichtende, die sich daran orientieren, setzen konsequent auf Unterstützung und Förderung der Lernenden. Sie stützen sich dabei auf vielfältige, unterrichtsbegleitende Lernstandsbestimmungen, die als Momentaufnahmen den Lern- und Verstehensprozess wiedergeben. Typische Fragen aus der Sicht der Lernenden sind dabei: Wohin will ich mich entwickeln? („Where am I going?“) Wie mache ich das? („How am I going?“) Was ist der nächste Lernschritt? („Where to next?“) Ähnlich wirken auch Portfolios zu Lernprojekten 6

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oder „lautes Denken“ beim Erlesen anspruchsvoller Texte. Unterrichtende gewinnen mit diesen Verfahren wertvolle Einblicke in die individuelle Kompetenzentwicklung der Lernenden. Aus einer solchen diagnostischen Routine heraus ist es ihnen möglich, Lernziele und unterrichtsmethodische Entscheidungen immer wieder auf die Lernbedürfnisse und Fähigkeiten der einzelnen Schülerinnen und Schüler zu beziehen. Lehrende sollten in verschiedenen Unterrichtssituationen immer wieder in die Perspektive des Lernenden wechseln, „Seeing learning through the eyes of the teacher.“ Eine Methode, die aus dem „reciprocal teaching“, einer Methode der Texterschließung vor allem aus

Fachspezifische Lehrerfortbildung als wirkungsvoller Einflussfaktor „Visible Learning“ macht deutlich, unter welchen Bedingungen die nach dem PISA-Schock entwickelten Reformelemente (Bildungsstandards, Kerncurricula) am wirksamsten werden können. Und sie zeigt auf, dass Lehreraus- und -fortbildung hierzu einen erheblichen Beitrag leisten kann. Nach Einschätzung des neuseeländischen Wissenschaftlers zählt die fachspezifische Lehrerfortbildung zu den wirkungsvollen positiven Einflussfaktoren für Unterricht und Lernen. Dabei haben Programme, die von Regierungen oder Universitäten initiiert, finanziert und entwickelt wurden, eine deutlich höhere Wirksamkeit als

Nach Einschätzung des neuseeländischen Wissenschaftlers zählt die fachspezifische Lehrerfortbildung zu den wirkungsvollen positiven Einflussfaktoren für den Unterricht und Lernen.

dem Sach-, aber auch dem Sprachunterricht, bekannt ist. Die Bezeichnung „reziprok“ macht deutlich, dass Schülerinnen und Schüler abwechselnd in die Rolle von Lehrenden und von Lernenden schlüpfen und sich mit wechselnder Perspektive gegenseitig im Verständnis von Texten unterstützen. In der Lehrerrolle fordern sie einmal zur Anwendung von Strategien heraus, in der Schülerrolle wenden sie diese Strategien selbst an. Sie übernehmen so Verantwortung für ihre eigenen Lernprozesse, heben diese durch geeignete metakognitive Verfahren wie lautes Denken, Selbstüberprüfung, Reflexion des jeweiligen Vorgehens beim Lösen einer Lernaufgabe ins Bewusstsein und wachsen so in die Rolle des Experten (Lehrperson) für ihre eigenen Lernprozesse hinein. Dabei gibt es vier Strategien des Verstehens und der Selbstüberprüfung: das Stellen von Fragen an einen unbekannten Text, die Zusammenfassung zentraler Textinhalte, das Klären von Verständnisschwierigkeiten sowie die Formulierung einer Hypothese zum weiteren Textverlauf. In den Fortbildungsprojekten „Kompetenzorientiert unterrichten“ des AfL sind die Nutzung und teilweise auch die Entwicklung solcher Instrumente zur formativen Lernstandsbestimmung ein Schwerpunkt der praktischen Arbeit, wie die Beispiele aus dem Fach Mathematik auf der Materialseite (S. 7) illustrieren.

Programme einzelner Schulen. Pädagogische Überzeugungen (Teacher’s mindsets) erfüllen hier eine Schlüsselfunktion. Denn um in der Rolle des „activator“ und „change agent“ Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern anstoßen zu können2, brauchen Unterrichtende eine positive pädagogische Haltung und Überzeugung. Studien deutscher Universitäten zur Wirksamkeit von Lehrerbildung bestätigen Hatties Ergebnis. Dass Fortbildungen also vor allem dann wirksam werden, wenn sie neben der Fachlichkeit die Reflexion und Arbeit an subjektiven Theorien zum Lehren und Lernen, an pädagogischen Überzeugungen zum Thema machen und damit die Weiterentwicklung von Unterrichtsskripten ermöglichen. In Übereinstimmung mit diesen Erkenntnissen definierte das Amt für Lehrerbildung bereits 2007 sinngemäß: „Wir betrachten Lernen als gelungen, wenn für Lernende ein an Lehr- und Lernzielen orientierter Kompetenzzuwachs erfolgt, aus dem überprüfbare, nachhaltige Verhaltensänderungen resultieren. Gelungenes Lernen korrespondiert mit der Prüfung von Selbstüberzeugungen, der Klärung internaler Prozesse und Stärkung des kontextbezogenen Rollenbewusstseins.“3 Damit sind einige Essentials für wirksame Fortbildungsaktivitäten benannt. Die Einbeziehung der gesamten Persönlichkeit der Teilnehmenden,

LEITARTIKEL Materialseite (zur Verfügung gestellt von C. Maitzen; Projektleiter KU Mathe NaWi AfL)

Beispiel 1: Auszug aus einem „Beobachtungsbogen für Schülerinnen und Schüler“, die eine Präsentation einer/s Schülerin/s beurteilen und dieser/m anschließend eine Rückmeldung zur Präsentation geben. hervorragend

gut

befriedigend

ausreichend

Sprache

deutlich, laut, langsam, abwechslungsreich, Satz/ Wortwahl verständlich

undeutlich, leise, schnell, monoton, Satz / Wortwahl unverständlich

Haltung

freudig, offen für Nachfragen

gequält, abweisend

Auftreten

überzeugend, sicher, geordnet

zaghaft, unsicher, chaotisch

Beispiel 2: Formative Lernstandsfeststellung am Ende einer Unterrichtsstunde: Wenn eine Lehrkraft am Ende einer Unterrichtsstunde erfahren möchte, was bei den Schülerinnen und Schülern angekommen ist, kann man folgendes Vorgehen wählen: Etwa acht Minuten vor Stundenende bekommen die Lernenden folgenden Auftrag: „Notiere eine zur heutigen Stunde“ und formuliere in 3-5 Sätzen „deinen zentralen Gedanken zur Stunde in eigenen Worten“ (Distel, S. 103). Die Schülertexte sichtet die Lehrkraft zu Hause und erhält Informationen aus der Sicht der Lernenden. Mit diesen Informationen kann der weitere Unterrichtsverlauf gestalten werden. Literatur: Distel, M.: Dialogischer Unterricht – Neue Wege im Unterricht und in der Ausbildung von Lehrkräften. In: Kröll, D. Gender und MINT – Schlussfolgerungen für Unterricht, Schule und Studium, 2010, 91 – 107

Beispiel 3: Auszug aus einem Schülerselbsteinschätzungsbogen zum Thema „Rechen- und Lösungswege“: Nachdem das Thema „Rechen- und Lösungswege“ im Fach Mathematik in Klasse 5 erarbeitet wurde, schätzen die Schülerinnen und Schüler ihr Können selber ein. Sie und ihre Lehrkraft erhalten dabei einen individuellen Überblick über die Könnensstände. Die Stärken und Schwächen der Lernenden werden hierdurch sowohl für die Lernenden als auch für die Lehrkraft sichtbar. Auftrag: Fülle diesen Bogen aus, nachdem du die dazugehörigen Aufgaben gerechnet hast. In der rechten Spalte findest du einen Hinweis, wo du Aufgaben zum Üben findest. kann ich sehr sicher Situation

kann ich weitgehend, mit schwierigeren Aufgaben habe ich noch Probleme

kann ich teilweise, kann mir selber helfen

kann ich noch nicht, brauche Hilfe

Hier findest du Übungsmaterial:

Ich kann herausfinden, welche Zahlen man in eine Gleichung oder Ungleichung (Beispiel: 67 – 3 · z > 24) einsetzen darf.

Arbeitsblatt: Gedachte Zahlen erraten

Ich kann Zahlen herausfinden, die in Rechenbäumen versteckt sind.

Buch: Seite 33, Nr. 3, 4 Arbeitsblatt: Gedachte Zahlen erraten

Ich kann meine Lösungswege anderen erklären. Einige Unterrichtsstunden nach der Bearbeitung des Selbsteinschätzungsbogens erhalten die Schülerinnen und Schüler zur tieferen kognitiven Durchdringung des Themas „Rechen- und Lösungswege“ einen Partnerbogen mit richtigen bzw. falschen Aussagen. Die Schülerinnen und Schüler sind aufgefordert anhand von Rechnungen oder Beispielen in Worten begründet die Aussage zu verifizieren oder falsifizieren.

der Bezug zur beruflichen Situation, Reflexion und Austausch machen den schulischen Alltag zum eigentlichen Lerngegenstand. Der Fokus richtet sich auf Schule Als die ersten internationalen Vergleichsstudien (z.B. TIMSS) bundesdeutschen Schülerinnen und Schülern nur mäßige Leistungen attestierten, machten Bildungsforscher wie Klieme oder Baumert auf den Zusammenhang mit bis dahin in Deutschland dominierenden Unterrichtsformaten und professionellen Routinen von Lehrkräften aufmerksam. Damit war eine entscheidende Weiche gestellt. Viele Institutionen in der Lehrerbildung - so auch das Amt für Lehrerbildung - nutzten diese Erkenntnisse und die Gunst der Stun-

de. Fortbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen wurden neu durchdacht, didaktische Grundlagen überarbeitet, andere Aufgabenformate entwickelt. Vor allem rückten das Lehrerhandeln, Unterrichtsskripte und das Lehr-LernVerhältnis in den Fokus. Dazu gehörte auch, für und gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern effektivere Lernstrategien zu entwickeln. Hessen hat als erstes Bundesland mit einem landesweiten Fortbildungsprojekt „Qualitätsinitiative SINUS“ auf die Ergebnisse der TIMS-Studie reagiert. Nach Verabschiedung der KMKBildungsstandards hat das Amt für Lehrerbildung die Initiative zur Entwicklung landesweiter Fortbildungsprojekte ergriffen und in Kooperation mit Schulämtern und Universitäten ein Fortbil-

dungskonzept für Mathematik/Naturwissenschaften entwickelt. Auf dieser Basis sind die aktuellen Fortbildungsprojekte zum kompetenzorientierten Unterrichten in Englisch/Französisch, Deutsch, Mathematik/Naturwissenschaften und Gesellschaftswissenschaften mit Angeboten zu „Kompetenzen stärken und erweitern“, „Diagnostizieren, Fördern, Beurteilen“, „Lernen, Bilanzieren und Reflektieren“ entstanden. Das AfL qualifiziert Fortbildnerinnen und Fortbildner, die in allen Schulamtsbezirken Schulen in der Entwicklung des Fachunterrichts begleiten. Zur Unterstützung der Fortbildungsprojekte und damit der Schulen hat das Amt für Lehrerbildung gemeinsam mit dem IQ ein Prozessmodell zum kompetenzorientierten Unterricht entwickelt, BILDUNG BEWEGT NR.13 JUN/2011

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LEITARTIKEL

Über die Schulter geblickt… Den individuellen Lernstand erkennen und festhalten – Unterrichtspraxis in einer achten Klasse „Meine persönlichen Ziele sind die, dass ich alles richtig schreibe und das mit der Getrennt- und der Zusammenschreibung auch noch besser hinbekomme und dass ich ein bisschen ordentlich darauf achte keine Flüchtigkeitsfehler mehr zu machen. Was ich tun werde: Ich mache vor der Arbeit noch ein paar Übungen und versuche mir die Sachen noch ein bisschen genauer zu erklären. Ich übe dann noch mit meiner Freundin und wir erklären uns das dann gegenseitig und was wir nicht verstanden haben.“ So endet A.‘s Beschreibung ihres Lernstandes, in der sie sich sehr differenziert und problembewusst mit ihrer Rechtschreibkompetenz beschäftigt hat. Den Text hat sie – wie alle anderen auch – als Mailanhang an ihren Lehrer geschickt. Und sie hat auch noch Fragen: „Also, wenn ich einen Brief schreibe und ich muss jemanden siezen, muss ich ´sie´ und ´íhr´ dann groß schreiben? Da bin ich mir nämlich immer nicht sicher. Und noch etwas, wenn ich jetzt z.B. mattgesetzt habe, wird es dann auch zusammengeschrieben? Wegen dem „ge-“ war ich mir nämlich nicht so ganz sicher, aber eigentlich muss man ja zusammenschreiben, sonst könnte man ja den Unterschied zwischen den Wörtern „mattgesetzt“ und „matt gesetzt“ gar nicht finden und die Regel zum Unterscheiden der beiden Bedeutungen würde überhaupt keinen Sinn machen.“ Ganz anders H., der zwar Fortschritte sieht, aber auch im 8. Lernjahr den gestellten Anforderungen nach eigener Einschätzung noch überwiegend hilflos gegenübersteht.: „Ich kann jetzt die Tageszeiten sehr gut, da ich das als Thema in der Gruppe hatte (Bsp. Dienstag morgens). Ich hab mit den s-Lauten immer noch leichte Probleme, aber die sind schon besser geworden (z.B. ob man wörter mit ss oder ß schreibt). Den Lernstand zu beschreiben ist auch schwer, da ich es schwer finde meine Fehler selber zu finden und zu wissen was ich kann und was nicht. (...) Leider kann ich nicht genau sagen wie sie mir helfen können, da ich selber nicht genau einschätzen kann wo meine Problem liegen, aber ich hoffe das der Plan den wir mit ihnen erarbeiten werden sein Ziel erreicht.“1 Seit einem halben Jahr lernen alle Schülerinnen und Schüler dieser Klasse 8, ihre persönlichen Fehlerschwerpunkte im Bereich der Rechtschreibung und

Zeichensetzung, somit anforderungsbezogen ihren individuellen Lernstand zu erkennen und in einer Übersicht festzuhalten. Schrittweise werden dabei Grundsätze der deutschen Rechtschreibung verdeutlicht und Strategien zur Fehlervermeidung erarbeitet. Nach der Rückgabe einer Klassenarbeit, die durch die Korrektur allen noch einmal persönliche Stärken und Schwächen zeigt, erfolgt eine Konzentration auf drei Fehlerschwerpunkte, ein neues, aktuelles „Thema“ wird hinzu genommen (Schreibweise der Tageszeiten). Die nächste Klassenarbeit soll den Schwerpunkt „Rechtschreibung“ haben. Aber der Weg dorthin ist neu, denn Lernen durch Lehren steht im Mittelpunkt. Jetzt ist Transparenz als Teilaspekt eines klar strukturierten Unterrichtskonzepts notwendig, in dessen Rahmen dann Schülerorientierung und Öffnung ihre lern-

schwerpunkt und dem Schwierigkeitsgrad der Anforderungen. Am Ende oder zu Beginn jeder zweiten Stunde gibt es ein Plenum, in dem Erfahrungen weitergegeben und Empfehlungen durch die Lehrkraft ausgesprochen werden. In der Vermittlungsphase setzen sich jeweils zwei Gruppen mit unterschiedlichen „Themen“ zusammen. Es beginnt ein wechselseitiges Lehren und Lernen. Schließlich schreiben alle Schülerinnen und Schüler eine persönliche Zwischenbilanz als Mail an die Lehrkraft. Am Beispiel ausgewählter, anonymisierter Zwischenbilanzen können anschließend (mit Erlaubnis des Autors/der Autorin) Qualitätsmerkmale von Lernreflexion erörtert und Hinweise für die Weiterarbeit gegeben werden. Die anschließende vertiefende Übungsphase in Einzel- oder Partnerarbeit mit Schüler- und Lehrbuchmaterial sowie gestützt durch

Lehren und Lernen werden sichtbar, mit den Augen „des Anderen“ gesehen und miteinander verknüpft – sowohl für Lernende als auch für Lehrende. förderliche Wirkung entfalten können. Die Methode wird vorgestellt und begründet, die zu erreichenden Ziele werden so erläutert, dass für Schülerinnen und Schüler auf allen Lernniveaus Anreize entstehen und Vertrauen in die Erreichbarkeit der Ziele mit Unterstützung der Lehrkraft entwickelt werden kann. Die Ziele erfassen entsprechend dem Kompetenzbegriff die kognitive, methodisch-strategische, kommunikative und personale Dimension des Lernens. So geht es nicht nur um das richtige Schreiben, sondern auch um Strategien zur Bewältigung von Anforderungen einschließlich der Erschließung von Hilfsquellen. Zudem muss sich jeder ein konkretes persönliches Ziel setzen, und am Ende wird eine Bilanz des Erfolgs und der Qualität der Zusammenarbeit stehen. Alle Lernenden sollen jetzt die Rolle von Lehrenden übernehmen, indem sie zunächst in einer von acht gewählten Kleingruppen zu „Experten“ für einen Teilbereich werden (z.B. Groß- und Kleinschreibung, s-Laute einschließlich das/dass) und dann ein Konzept entwickeln, wie sie dieses Expertenwissen vermitteln, Übung ermöglichen und die Ergebnisse überprüfen können. Die Einwahl (Doppelbesetzung) erfolgt unter Orientierung am eigenen Fehler-

eine Lernkartei ermöglicht ausgewählte, individuelle Lerngespräche. Dabei kommen eigene Ansprüche („Ich will alles richtig schreiben“) ebenso zur Sprache wie individuelle Erfolge und (Selbst-) Konzepte im Umgang mit Rechtschreibung. Selbsteinschätzungen („Ich kann jetzt die Tageszeiten schon sehr gut“) können durch die Außenwahrnehmung korrigiert und ergänzt, Einzelfragen beantwortet werden. Lerngespräche münden in besonderen Fällen – etwa im Falle von LRS wie bei H. - in einen Förderplan. Stärkenorientierung und häufig auch Veränderungen am Selbstkonzept sind dabei unerlässlich. Sie haben jetzt eine sehr konkrete Grundlage. Gestützt auf eine solche gemeinsame, mehrdimensionale Lernerfahrung wird es schließlich möglich, dass Lernende über Form und Bewertungskriterien der abschließenden Lernerfolgskontrolle mitbestimmen. Lehren und Lernen werden sichtbar, mit den Augen „des Anderen“ gesehen und miteinander verknüpft – sowohl für Lernende als auch für Lehrende. Werner Bauch

Originalzitat Schüler

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NACHGEFRAGT

Investitionen in Fortbildung sind Investitionen in die Zukunft Interview mit dem Kasseler Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Lipowsky

Was sind aus ihrer Sicht bedeutsame Erkenntnisse der Metastudie Visible learning? Lipowsky: Die Studie verdeutlicht einmal mehr, welche Bedeutung die einzelne Lehrperson und der von ihr arrangierte Unterricht für die Entwicklung von Schülerinnen und Schülern haben. Hattie listet ja eine ganze Reihe von Merkmalen lernwirksamen Unterrichts in sehr kompakter Zusammenfassung auf. Merkmale, von denen die Forschung inzwischen weiß, dass sie die Lernentwicklung von Schülerinnen und Schüler positiv beeinflussen können. Die zweite Leistung der Studie liegt meines Erachtens darin, deutlich zu machen, dass nicht alles, an was wir glaubten, tatsächlich wirkt. Es gibt bestimmte Mythen, die durch die Studie von Hattie entzaubert werden. Und die dritte Botschaft lautet, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, wie die professionelle Weiterentwicklung von Lehrpersonen gefördert und unterstützt werden kann. Hattie bezieht sich auf mehrere Metaanalysen, die zeigen, dass Lehrerfortund -weiterbildung positive Wirkung sogar bis auf die Ebene der Schülerinnen und Schüler haben kann. Stimmen die Ergebnisse der HattieStudie, die ja vor allem auf Forschungen im angelsächsischen Raum basieren, mit ihren eigenen Ergebnissen zur Wirksamkeitsforschung und mit denen im deutschsprachigen Raum überein? 10

BILDUNG BEWEGT NR.13 JUN/2011

Lipowsky: Hattie bezieht sich vorwiegend auf Studien aus dem angloamerikanischen Raum. Allerdings sind die Ergebnisse aus meiner Sicht durchaus übertragbar, vielleicht nicht bis ins letzte Detail. Nehmen wir einen Punkt, der ein wichtiges Merkmal lernwirksamen Unterrichts ist, die Teacher Clarity, also die inhaltliche Klarheit des Unterrichts. Dass die inhaltlich verständliche Erarbeitung und Präsentation des Unterrichtsgegenstands für das Lernen von Schülerinnen und Schülern wichtig ist, ist keine Neuerfindung von Hattie. In der einschlägigen deutschen und europäischen Literatur stößt man auf viele Erziehungswissenschaftler und Unterrichtsforscher, die der inhaltlichen Klarheit hohes Gewicht beimessen. Nehmen wir als Beispiel den Schweizer Kognitionspsychologen Hans Aebli. Er beschreibt in seiner Allgemeinen Didaktik (1976) wie bedeutsam es ist, dass die Lehrperson wichtige Einsichten der Lernenden hervorhebt, wiederholt und prägnant formuliert und den Blick für das Ganze behält. Dadurch sorgt sie für Kohärenz und für den roten Faden in der Stunde. Aebli schreibt: „Er [der Lehrer] paßt auf, ob das Verständnis aufleuchtet, ob sich das Aha-Erlebnis einstellt. Geschieht es noch nicht, so wiederholt er das bisher Erarbeitete und stellt es noch einmal anders dar… Es ist eine große Leistung, wenn der Lehrer erreicht, dass in 20 oder 30 kleinen Köpfen Klarheit einzieht und

Einsicht in die grundlegenden Beziehungen innerhalb einer Operation gewonnen wird.“ Das ist eine gute Beschreibung von inhaltlicher Klarheit, ohne dass Aebli damals den Begriff wirklich benutzt hätte. Dies ist nur ein Beispiel. Es lassen sich weitere vielfältige Beziehungen zur deutschsprachigen Forschung herstellen. Zahlreiche Merkmale lernwirksamen Unterrichts, die Hattie darstellt, zeigen umfängliche Verbindungen zu dem auf, was wir in Deutschland in den letzten Jahren diskutieren und erforschen. Gibt es denn in den Begrifflichkeiten keine Übersetzungs- oder Verständnisprobleme zwischen angloamerikanischem und europäischem Begriffsverständnis? Lipowsky: In Deutschland haben sich mit der effektiven Klassenführung, dem unterstützenden Lernklima und der kognitiven Aktivierung drei Basisdimensionen guten Unterrichts etabliert, die auf Arbeiten von Baumert, Klieme und Kollegen zurückgehen. Wenn man in der Studie von Hattie nun nach dem Begriff der kognitiven Aktivierung sucht, wird man zunächst nicht fündig. Aber wenn man zwischen den Zeilen liest, sieht man, dass Hattie die Studien einfach ein bisschen anders ordnet. So finden sich beispielsweise Hinweise auf die Bedeutung eines die Lernenden kognitiv herausfordernden Unterrichts unter den Überschriften

NACHGEFRAGT Frank Lipowsky studierte Lehramt für Grund- und Hauptschulen an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und unterrichtete mehrere Jahre an verschiedenen Schulen in BadenWürttemberg. Nach seinem Lehramtsstudium war er Lehrbeauftragter für Mathematik und absolvierte ein Diplom-Pädagogikstudium. Mit einer Arbeit zum beruflichen Erfolg von Lehramtsabsolventen in der Berufseinstiegsphase promovierte er 2003 an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Von 2002 bis 2006 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt. Während dieser Tätigkeit leitete er u.a. eine deutsch-schweizerische Lehrerfortbildung. Seit 2006 ist er Professor für Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Empirische Schul- und Unterrichtsforschung an der Universität Kassel.

„Lehrerfragen“ und „metakognitive Strategien“. Hattie verweist unter der Überschrift Lehrerfragen z.B. auf die Bedeutung von sogenannten „higher order questions“, also auf die Bedeutung von Fragen, die auf ein höheres kognitives Level abzielen. Das sind Fragen, bei denen die Schülerinnen und Schüler etwas begründen, erläutern, vergleichen, analysieren oder bewerten müssen. Solche Fragen zielen nicht auf die Wiedergabe von Fakten, sondern dienen dazu, dass der Lernende sich argumentativ mit dem Unterrichtsgegenstand auseinandersetzt. Auch in den Zusammenfassungen seiner Kapitel über den Unterricht stellt Hattie die Bedeutung kognitiv anspruchsvoller Aufgaben heraus. Der Begriff der kognitiven Aktivierung ist ja ein Begriff, der erst in den letzten Jahren verstärkt in Deutschland aufgekommen ist. Da sich Metastudien auf Studien aus der Vergangenheit beziehen, die zum Teil schon in den 70er, 80er und 90er Jahren erschienen sind, taucht der Begriff eben noch nicht so häufig auf. Das ist vielleicht ein Schwachpunkt, den man einer solchen Metaanalyse über Metaanalysen vorwerfen kann, aber dies ist kein Problem von Hattie allein. Wie sieht denn guter Unterricht aus? Sie sprechen in Ihren Schriften immer wieder vom didaktischen und inhaltlichen Fundament guten Unterrichts. Lipowsky: Guter Unterricht lässt sich umschreiben als ein Unterricht, in dem der Unterrichtsgegenstand inhaltlich klar und verständlich erarbeitet und präsentiert wird, in dem an das Vorwissen und an die vorhandenen Konzepte der Lernenden angeknüpft wird und in dem die Lernenden durch herausfordernde Fragen und Aufgaben dazu angeregt werden, vertieft über den Unterrichtsgegenstand nachzudenken und sich mit ihm auseinanderzusetzen. Zu gutem Unterricht gehört auch, dass

die Rahmenbedingungen stimmen. Der Unterricht sollte relativ störungsfrei verlaufen; das zielt in Richtung effektives Classroom Management, und die zur Verfügung stehende Zeit sollte effektiv genutzt werden, so dass überhaupt Lerngelegenheiten zur Ver-

ner vertieften Verarbeitung des Inhalts angeregt und herausgefordert werden, weil sie vorwiegend Routineprozeduren ausführen müssen, und die Lehrperson ein enges, kleinschrittiges Frageverhalten zeigt, das vorwiegend nur auf die Wiedergabe von Fakten abhebt.

Guter Unterricht lässt sich umschreiben als ein Unterricht, in dem der Unterrichtsgegenstand inhaltlich klar und verständlich erarbeitet und präsentiert wird, in dem an das Vorwissen und an die vorhandenen Konzepte der Lernenden angeknüpft wird und in dem die Lernenden durch herausfordernde Fragen und Aufgaben dazu angeregt werden, vertieft über den Unterrichtsgegenstand nachzudenken und sich mit ihm auseinanderzusetzen.

fügung stehen. Amerikaner sprechen hier gerne von den „opportunities to learn“. Es ist klar: Wenn Schülerinnen und Schüler über Tische und Bänke gehen, gibt es keine Gelegenheit zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand. Wichtig ist auch die respektvolle und wertschätzende Beziehung zwischen Schülerinnen und Schülern und der Lehrperson. Verschiedene Studien zeigen, dass ein solches unterstützendes Klima im Unterricht, zu dem z.B. auch der konstruktive Umgang mit Fehlern und das Interesse der Lehrperson an ihren Schülerinnen und Schüler gehört, dass sich ein solches Klima positiv auf die Motivation, das Wohlbefinden und das Engagement der Lernenden auswirkt. Und die kognitive Aktivierung als dritte Basisdimension beschreibt, wie anregend, inhaltlich substantiell die Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand erfolgt. Man kann sich durchaus einen Unterricht vorstellen, der zwar störungsfrei verläuft und in dem scheinbar viel Lernzeit effektiv genutzt wird, in dem auch das Klima stimmt, aber in dem die Lernenden nicht zu ei-

Und stellen Sie sich jetzt folgendes Bild eines kognitiv aktivierenden Unterrichts vor: Da rauchen die Köpfe der Schülerinnen und Schüler. Da wird argumentiert, kontrovers diskutiert, nachgedacht, erläutert und erklärt, hart über das Thema gestritten, da werden Lösungswege verglichen und analysiert, da wird also insgesamt auf einem relativ hohen kognitiven Niveau gearbeitet... ...und woran erkenne ich konkret, ob Schülerinnen und Schüler kognitiv aktiviert sind?... Lipowsky: ...Als Beobachter sehe ich dies an der Beteiligung der Schülerinnen und Schüler, an der Art der Lehrerfragen, an den gestellten Aufgaben, an der Art und Weise der Schülerantworten, daran, inwiefern die Lehrperson die Lernenden anhält, Aussagen zu begründen. Ich erkenne es auch daran, wie ausführlich und differenziert Schülerantworten ausfallen. Wie schätzen Sie Erfahrungen ein, die es in Deutschland mit „Formativer Beurteilung und Feedback“ gibt?

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NACHGEFRAGT

Lipowsky: Verschiedene Studien zeigen relativ deutlich, dass das Potenzial von Formativem Assessment, also von lernprozessbezogener Beurteilung, noch zu wenig genutzt wird, noch nicht ausgereizt ist. Aber: Gutes und lernförderliches Feedback zu geben, ist eine relativ anspruchsvolle Tätigkeit, die nicht voraussetzungslos erfolgt. Formatives Assessment bezeichnet ja Maßnahmen und Strategien der Lehrperson, die dazu dienen, dem Lernenden etwas über den erreichten Lernfortschritt und über die Differenz zwischen seinem aktuellen Leistungsstand und dem Lernziel zurückzumelden. Hierzu bedarf es Hilfen und bestimmter Maßnahmen, die man als diagnostische Tools umschreiben könnte. Die Lehrperson muss diagnostische Fragen stellen können, aus denen sie etwas über die Konzepte, Ideen und kognitiven Vorgänge beim Schüler erkennen und ableiten kann. Sie muss auch gut beobachten können, indem sie z.B. die Interaktion einer Kleingruppe bei der Bearbeitung eines mathematischen Problems verfolgt und aufmerksam auf den Austausch der Argumente achtet, die etwas über die Verstehensprozesse, aber auch über die Misskonzepte der Lernenden aussagen können. Ein weiteres diagnostisches Tool wären informelle Lernstandserhebungen, die Auskunft über Konzepte und Fehlvorstellungen der Lernenden geben. Eine solche Diagnostik ist nicht trivial, sie erfolgt in der Situation, in der Interaktion mit dem Lernenden und unter Handlungsdruck. In der englischsprachigen Literatur wird dies bezeichnet mit Assessment bzw. Diagnostik „on the fly“. Formatives Assessment ist sicher eine wichtige Voraussetzung für adaptiven Unterricht, stellt aber zugleich erhebliche Anforderungen an die Lehrperson. Wir dürfen das nicht unterschätzen. Positiv ist, dass eine Lehrperson bestimmte Komponenten dieser Tools vergleichsweise einfach lernen kann. Diagnostische Lehrer12

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fragen lassen sich beispielsweise wirkungsvoll trainieren. Wenn wir uns fragen, was Lehrperson benötigen, um ein solch anspruchsvolles Formatives Assessment zu implementieren, dann ist sicherlich ein hohes fachliches, fachdidaktisches und pädagogisch-psychologisches Wissen

verbunden werden, welche müssen im Unterricht behandelt werden, damit tragfähige Konzepte entstehen? Solche Dinge entscheiden sich auch, und vielleicht sogar in erster Linie, am heimischen Schreibtisch der Lehrperson. Eine gute Lehrkraft ist gewappnet für die Verständnisschwierigkeiten, die bei

Wenn wir uns fragen, was Lehrperson benötigen, um ein solch anspruchsvolles Formatives Assessment zu implementieren, dann ist sicherlich ein hohes fachliches, fachdidaktisches und pädagogisch-psychologisches Wissen zu nennen. Die Lehrperson muss auch abschätzen können, welche Informationen, Hilfen und Unterstützungen die Lernenden benötigen, um alleine weiterzukommen. zu nennen. Die Lehrperson muss auch abschätzen können, welche Informationen, Hilfen und Unterstützungen die Lernenden benötigen, um alleine weiterzukommen. Es kommt also bei der Unterstützung der Lernenden darauf an, dass die Lehrperson mit Nachfragen und Impulsen die Lernenden zum Nachdenken und zur Anwendung von Strategien anregt, mit denen die Lernenden die Aufgabe selbst lösen können. Die Rückmeldung erfolgt also eher zurückhaltend nach dem Prinzip der minimalen didaktischen Hilfe. Wodurch zeichnet sich der erfolgreiche und wirksame Prototyp eines guten Lehrers oder einer guten Lehrerin für Sie aus? Lipowsky: Ein guter Lehrer hat das nötige fachdidaktische und fachliche Wissen. Er plant und bereitet den Unterricht sorgfältig vor. Gute Planung und Vorbereitung sind wichtig. Wie baue ich den Unterricht auf? Was muss im Unterricht thematisiert werden, damit sich für Schülerinnen und Schüler ein Gesamtbild eines Themas ergibt? Wie müssen Teilelemente arrangiert und

den Schülerinnen und Schülern auftauchen, und kann flexibel darauf reagieren, hat unterschiedliche Erklärungen und Veranschaulichungen parat, wenn Lernende auf die erste Erklärung nicht reagieren oder wenn sich das Verständnis noch nicht einstellt. Ein guter Lehrer stellt aktivierende Fragen, hört zu, gibt Impulse, aber nimmt nicht alles vorweg. Er sorgt für einen abwechslungsreichen Unterricht und ist begeistert von seinem Fach. Schülerinnen und Schüler spüren das. Eine idealtypische Lehrperson misst der Reflexion über Unterricht und Metakognition hohe Bedeutung bei, reflektiert mit den Lernenden über das Lernen und den Lernprozess. Und die Lehrperson arbeitet mit den Schülerinnen und Schülern systematisch an der Entwicklung von Selbststeuerungsfähigkeiten. Leider wissen Lehrkräfte hiervon oft relativ wenig, auch deshalb, weil sich die Diskussion darüber vorwiegend in wissenschaftlichen Journalen abspielt. Welche Konsequenzen ergeben sich für Schule und Unterricht und die Lehrerbildung aus den Erkenntnissen der Lehr- und Lernforschung?

NACHGEFRAGT

Lipowsky: Zu den wichtigsten Konsequenzen für die Lehrerbildung gehört sicher, dass wir mittlerweile vergleichsweise gut darüber Bescheid wissen, was lern- und motivationsförderlichen Unterricht auszeichnet. An diesen Merkmalen und an ihren Voraussetzungen sollte die Lehrerbildung ansetzen. Mit Voraussetzungen meine ich z.B. die Bedeutung, die man dem fachdidaktischen Wissen von Lehrpersonen beimessen muss. Die Lehr- und Lernforschung kann auch mit einigen Mythen aufräumen, was für die Lehrerbildung ebenfalls bedeutsam ist. Hattie gelangt zu dem Fazit, dass die Auffassung, die Lehrperson sei im Unterricht vorwiegend als Moderator gefragt, die empirische Befundlage nicht wiederspiegelt. Vielmehr sei die Lehrperson eher als „Activator“ gefragt. Er unterstreicht dies mit denjenigen Merkmalen von Unterricht, die vergleichsweise hohe Effekte auf die Lernenden zeigen, wie z.B. inhaltliche Klarheit, Lehrerfragen, verteiltes versus massiertes Üben, direkte Instruktion … das alles sind Merkmale von Unterricht, bei denen die Lehrperson vergleichsweise aktiv ist und den Unterricht lenkt. Mitunter höre ich bei Diskussionen über direkte Instruktion, das habe man doch schon überwunden, und der Konstruktivismus sage doch, wir müssten eher selbstgesteuert und offen arbeiten. Hier geben die Studien eine klare Antwort: Diese Schlussfolgerung ist in dieser Pauschalität unzulässig. Außerdem: Der Konstruktivismus ist keine Unterrichtstheorie, sondern eine Erkenntnistheorie! Und ein häufiges Missverständnis ist, direkte Instruktion mit einem langweiligen Frontalunterricht gleichzusetzen. Direkte Instruktion kann sehr wohl kognitiv aktivierend, verständnisfördernd und motivationsunterstützend sein. Falsch wäre jetzt allerdings auch, direkte Instruktion zum Allheilmittel zu erklären. Es kommt vielmehr auf eine intelligente Kombination von lehrergelenkten und eher schülerorientierten Unterrichtsformen an.

Für die Fortbildung stimmt die Studie von Hattie ebenfalls hoffnungsvoll. Denn es zeigt sich deutlich, dass Fortund Weiterbildungen Effekte auf Lehrerhandeln und Lernen der Schülerinnen und Schüler haben können, wenn bestimmte Bedingungen gegeben sind. Inwieweit können durch Lehrerfortbildung die Einstellungen von Lehrpersonen positiv verändert werden? Lipowsky: Die Vorstellungen, die eine Lehrperson über das Lehren und Lernen hat, beeinflussen natürlich ihr Handeln – und auch umgekehrt beeinflussen unterrichtliche Erfahrungen die Überzeugungen der Lehrpersonen. Insgesamt wissen wir aus der Forschung, dass solche Beliefs oder Überzeugungen relativ stabil sind und dass sie durch Routinen geprägt werden. Mit Videoanalysen aus eigenem und fremdem Unterricht, durch den intensiven Austausch über Unterricht und durch kontinuierliche Reflexionsimpulse können solche handlungsleitenden Überzeugungen im Rahmen umfassender Fortbildungen bewusst gemacht und dann letztlich auch modifiziert werden. Aber das ist ein aufwändiger und häufig auch langwieriger Prozess. Welche Form von Fortbildung hat denn überhaupt eine Aussicht, wirksam zu sein? Lipowsky: Forscher sind sich einig, dass es eines ausreichenden Maßes an Lerngelegenheiten für die Lehrpersonen bedarf, wenn die Wirksamkeit von Fortbildung bis auf die Ebene der Schülerinnen und Schüler durchschlagen soll. Das bedeutet: Kurze Fortbildungen sind meist wirkungslos. Umgekehrt heißt dies aber nicht: Je länger die Fortbildung, desto größer der Lernerfolg. Die Dauer der Fortbildung ist eine notwendige, aber eben keine hinreichende Bedingung für das Lernen und die Weiterentwicklung von Lehrpersonen.

Vielmehr kommt es auf die geschickte Kombination von Trainings-, Input- und Reflexionsphasen an und darauf, dass Fortbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sich intensiv, engagiert und vertieft mit dem Lernen von Schülerinnen und Schülern beschäftigen. Der Einbezug von externen Experten in die Fortbildung – also von Wissenschaftlern, Fortbildnern und Personen, die den Lernprozess der Lehrerinnen und Lehrer länger begleiten – gilt nach einer Metaanalyse von Helen Timperley, einer neuseeländischen Kollegin von Hattie, als sehr wirkungsvoll. Timperley gelangt zu dem Fazit, dass eine solche externe Begleitung wirkungsvoller sein kann als interne Schulentwicklungsmaßnahmen. Im Rahmen einer großen neuseeländischen Lehrerfortbildung, die auch wissenschaftlich begleitet wurde und die Effekte bis auf die Ebene der Schülerinnen und Schüler zeigte, arbeiteten Wissenschaftler, Fortbildner, Schulleiter und Lehrpersonen über die Dauer von zwei Jahren eng zusammen. Experten besuchten die Lehrpersonen im Unterricht, gaben ihnen Rückmeldungen, führten mit den Lehrpersonen Lernstandserhebungen und andere diagnostische Verfahren durch, werteten deren Ergebnisse zeitnah mit den Lehrkräften aus, interpretierten diese mit den Lehrkräften und leiteten daraus gemeinsam mögliche nächste Schritte für den Unterricht ab. Das war ein sehr aufwändiges, aber auch sehr wirksames Unterfangen, das dann eben auch Effekte bei den Schülerinnen und Schülern zeigte. Nimmt man noch einmal Bezug auf die Ergebnisse der Unterrichtsforschung, so sollte sich Fortbildung auch mit solchen Merkmalen von Unterricht beschäftigen, von denen wir wissen, dass sie positive Effekte auf die Schülerinnen und Schüler haben. Hier kommt dann wieder die Metaanalyse von Hattie ins Spiel. Das hört sich natürlich etwas trivial an, aber

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wenn man betrachtet, was so alles angeboten wird… Eine weitere zentrale Bedingung für den Fortbildungserfolg ist, dass die Erweiterung des fachdidaktischen Wissens von Lehrpersonen im Mittelpunkt stehen sollte. Es geht also darum, dass die Lehrpersonen sich konzentriert und vertieft mit dem Lernen und Verstehen von Schülerinnen und Schüler in einem bestimmten Fach und am besten noch zu einem spezifischen Unterrichtsthema auseinandersetzen sollten. Ein so fokussierter Blick erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Fortbildung tatsächlich Unterschiede im Lernen und Verstehen der Schülerinnen und Schüler wahrnehmen können und einen diagnostischen Blick entwickeln. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten sich also in die Köpfe der Schülerinnen und Schüler hineinversetzen. Sie sollten aufgefordert werden, Lösungswege der Lernenden zu antizipieren. Sie sollte vorhersehen, wie Schülerinnen und Schüler reagieren, wenn die Lehrperson auf eine bestimmte Weise vorgeht. Timperley, die neuseeländische Kollegin von Hattie, stellte in ihrer Metaanalyse fest, dass viele wirksame Fortbildungen einen besonderen Schwerpunkt auf das „teacher‘s

Lösungs- und Bearbeitungswegen der Schülerinnen und Schüler anbelangt, eine besondere Bedeutung und bieten fruchtbare Lerngelegenheiten für Lehrerinnen und Lehrer. Außerdem sollten Lehrpersonen im Rahmen einer Fortbildung erleben (können), dass es eine Beziehung zwischen ihrem Handeln und dem Lernen der Schülerinnen und Schüler gibt und dass Veränderungen im Lehrerhandeln auch zu Veränderungen im Lernen der Schülerinnen und Schüler führen. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Ein Beispiel soll verdeutlichen, was ich meine: Im Rahmen einer Fortbildung am Studienseminar in Fritzar erlebten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fortbildung am Beispiel einer videografierten Unterrichtseinheit zum Thema „Kinder schreiben narrative Texte zu einem Bildimpuls“, wie sich durch herausfordernde und kognitiv anregende Fragen der Lehrperson das Antwortverhalten der Schülerinnen und Schüler deutlich in Richtung einer zunehmenden Komplexität veränderte. Für die Fortbildungsteilnehmer war das ein großes AHA-Erlebnis, zu sehen, wie ein Impuls, eine Frage zu völlig anderen und auch unerwarteten Reaktionen auf Seiten der Schülerinnen und

Außerdem sollte die Lehrpersonen im Rahmen einer Fortbildung erleben (können), dass es eine Beziehung zwischen ihrem Handeln und dem Lernen der Schülerinnen und Schüler gibt und dass Veränderungen im Lehrerhandeln auch zu Veränderungen im Lernen der Schülerinnen und Schüler führen.

assessment knowledge“ legen, also auf die Förderung diagnostischen, aber auch fachdidaktischen Wissens von Lehrpersonen. Hier zeigt sich im Übrigen wieder eine Querverbindung zum Thema „formatives Assessment“ und damit zur Studie von Hattie. Unterrichtsvideos haben, was die Antizipation von 14

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Schüler führte. Möglicherweise war dies für die Lehrpersonen auch deshalb so überraschend, weil eine solche Änderung des Frageverhaltens mit relativ geringem Aufwand zu bewerkstelligen ist. Die Lehrpersonen erlebten in dieser Situation, welche Wirkungen verändertes Lehrerhandeln haben

kann, und erprobten dieses Vorgehen nachfolgend auch in ihrem Unterricht mit dem gleichen Erfolg. Das sind kleine „handwerkliche Steuerschrauben“ mit erheblicher Wirkung! Zum Schluss: Bitte ergänzen Sie folgende Sätze: Die Bedeutung von Lehrerfortbildung für guten Unterricht ist in der Vergangenheit, … Lipowsky: unterschätzt worden Eine Fortbildung, die nicht zu Veränderungen im unterrichtspraktischen Handeln der Lehrkraft führt, … Lipowsky: (Prof. Lipowsky denkt lange nach, lacht) …dürfte wahrscheinlich auch keine nachhaltigen Wirkungen auf die Lernenden haben. Das sage ich mit Vorsicht, weil es nicht so ist, dass man jede „Wirkung“ gleich sieht! Manche Wirkung stellt sich erst später ein. Fortbildungsmaßnahmen haben laut empirischen Erkenntnissen dann eine hohe Akzeptanz und erzeugen dann Motivation bei Lehrkräften, … Lipowsky: wenn sie sich konkret auf Unterricht beziehen, wenn die Relevanz der Inhalte hoch ist, wenn am Vorwissen und an dem, was die Lehrpersonen mitbringen, angeknüpft wird, wenn aber dennoch neue Erkenntnisse und neue Handlungserfahrungen hinzukommen und wenn ihnen Situationen angeboten werden, in denen sie erleben, dass ihr eigenes Handeln Wirkung zeigt. Investitionen in Fortbildung sind, … Lipowsky: Investitionen in die Zukunft.

Das Interview für „BILDUNG BEWEGT“ führte SABINE STAHL Foto: Sabine Stahl

Bildung im Blick

Antworten aus dem Geist der Freiheit Von der Praxis für die Praxis, eine Fachtagung im Zeichen der Selbstständigen Schule

„Selbstständigkeit heißt, frei entscheiden zu können“. Mit diesen Begrüßungsworten verdeutlichte Hanna Kind, Vertreterin der IHK, gleich zu Beginn der IQ-AfL-Fachtagung zur Selbstständigen Schule einen wichtigen Baustein unternehmerischen Verständnisses von Selbstständigkeit.

S

ie wertschätzte einerseits die beobachtbaren Erfolge von Schulen auf ihrem Weg zu mehr Eigenständigkeit, betonte aber auch, „dass vieles noch zu bürokratisch und aufwändig ist, und dass zusätzliche Mittel notwendig sind.“ Mit diesem Impuls stieß sie unter den zahlreich vertretenen Schulleiterinnen und Schuleitern auf offene Ohren. Von der Gesamtkonferenz zu Schulverfassung und Schulvorstand „Ich will das große Budget“, lautete denn auch das Statement von Schulleiterin Claudia Borowsky, eine von sechs Schulleitungen, die auf dem Podium zum Thema „Selbstständige Schule als Chance“ diskutierten. Die Leiterin einer Beruflichen Schule berichtete über ihre Erfahrungen: „Zu Beginn waren zwei Drittel der Gesamtkonferenz für die Teilnahme am Modellversuch Selbstverantwortung Plus. Für des-

sen Fortführung waren es dann schon 92% Zustimmung. Inzwischen hat die Eugen-Kaiser-Schule mit 96% Zustimmung des Kollegiums die Gesamtkonferenz abgeschafft. Die Schule hat nun eine eigene Verfassung.“ An die Stelle der Gesamtkonferenz tritt ein Plenum mit gestrafftem Aufgabenbereich, das überwiegend mit Mitgliedern der Schulleitung und

sieht einen großen Vorteil in diesem Verfahren: „Die Verantwortung liegt jetzt im Schulvorstand, Entscheidungen sind viel direkter. Allerdings muss auch viel mehr überzeugt werden.“ Berufliche Schulen hatten als erste Schulform mit neuen Wegen zur Selbstständigkeit „experimentieren“ können. Grundlage war der einstimmige Landtagsbeschluss für das Modellprojekt SV-Plus aus dem Jahr 2003. Nach der Evaluation der Erfahrungen der 17 beteiligten Schulen aus dem Modellversuch folgte schließlich der so genannte SBS-Erlass im August 2010. Dieser ist Grundlage des Transferprozesses beruflicher Schulen zu

Die Verantwortung liegt jetzt im Schulvorstand, Entscheidungen sind viel direkter. Allerdings muss auch viel mehr überzeugt werden. gewählten Lehrkräften besetzt ist. Der Schulvorstand, in dem alle operativen Entscheidungen getroffen werden, löst die Schulkonferenz als strategisches Entscheidungszentrum ab. Borowsky

„Selbstständigen Beruflichen Schulen“ (SBS). Nach Auskunft des Kultusministeriums sind inzwischen ein Drittel aller hessischen Berufsschulen Modellversuchs- oder SBS-Schulen. BILDUNG BEWEGT NR.13 JUN/2011

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Bildung im Blick Bei aller Begeisterung und Zustimmung für zunehmende Selbstständigkeit werden die Wege zur Umsetzung doch kontrovers diskutiert. Viele Schulleitungen und Schulleitungsver-

Bernd Schreier (Leiter des IQ) wies auf die Chancen von Gestaltungsfreiheit und Verantwortungsübernahme hin. (Foto: Reinhold Fischenich)

bände sind wegen geringer Zeit- und Finanzressourcen in Sorge, ob ein so komplexer Prozess gelingen kann. So fallen bei Schulen im Transferprozess beispielsweise eine pädagogische bzw. Verwaltungsstelle weg, die den Modellversuchsschulen noch zur Verfügung stand (vgl. BB Nr.8, Leitartikel). Der Personalbedarf soll jetzt über die 105%ige Zuweisung gedeckt werden. Die Rahmenbedingungen für die Transferprozessschulen gegenüber den 17 Modellversuchsschulen wurden daher durchaus auch kritisch wahrgenommen. Manch einer befürchtete wegen der Konkurrenz untereinander sogar die Gefahr einer Zersplitterung der Berufsschullandschaft. Bernd Schreier hingegen betonte, dass der Wille nach Freiheit keine Frage der Ressourcen sei. In einer engagierten Begrüßungsrede wies der IQ-Leiter darauf hin, dass „die Balance der Selbstständigen Schulen die Freiheit und die Rechenschaft ist. Es ist unser Part Freiheit zu wollen und umzusetzen“! Aber auch jenseits der Ressourcenfrage war die Bewertung dessen, was Selbstständigkeit an Hessens Schulen bedeutet oder bedeuten kann, schulformübergreifend unterschiedlich. So stand die Position „Es ist wichtig für Schulentwicklung, sich trotz vorhandener Unzulänglichkeiten und Unklarheiten auf den Weg zu machen“ fast unvereinbar neben der Einschätzung „Erst müssen wir wissen, worauf wir uns einlassen, wie die Bedingungen sind und welchen Nutzen die Entscheidung für uns bringt, bevor wir in die Selbstständigkeit gehen.“ Und so machen sich die einzelnen Bildungseinrichtungen mit ungleichen Voraussetzungen, verschiedenen Er-

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wartungen und in ganz unterschiedlichem Tempo auf den Weg. Der Entwicklungsstand in Sachen Selbstständigkeit ist, das zeigt alleine das Spektrum aus dem beruflichen Schulwesen, sehr vielfältig (SV-Plus-Schulen, Berufliche Schulen mit Anmeldung zur SBS und solche, die gegen SBS abgestimmt haben, Berufliche Schulen mit Antrag auf das kleine Budget uvm.). Schulleiterin Claudia Galetzka ist dennoch überzeugt: „Wir brauchen die Selbstständigkeit, um bessere Bedingungen für unsere Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler zu schaffen.“ Ihre Berufsschule ist aktuell im Transferprozess angemeldet. Die Schulleiterin begründet ihre Motivation für die Teilnahme vor allem unter Qualitätsgesichtspunkten. Vor ihrer Schulleitungstätigkeit hatte Galetzka Q2E-Prozesse begleitet und dabei gesehen, dass Unterricht dadurch viel besser geworden war. „Weil reflexive Lernprozesse gefördert werden, Evaluationsergebnisse systematisch in die Schulentwicklung einfließen, kollegiale Hospitation stattfindet und in den Kollegien ganz anders über Unterricht gesprochen wird.“ Sie ist überzeugt: „Ich brauche das große Budget, um verlässliche Rahmenbedingungen zu ermöglichen. Aber es ist auch ein großer Kraftakt, mit 160 Kolleginnen und Kollegen in diese Aushandlungsprozesse einzutreten.“ Als entscheidend und kritisch zugleich für den Erfolg von Selbstständigkeit schätzt Galetzka die Faktoren Support, Dienstleistungen und Unterstützung aus dem Verwaltungsbereich ein. Wir brauchen Zeit – Leitungszeit, um Schule steuern zu können! Die Kontroversen darüber, welcher Weg zur Eigenständigkeit der richtige ist, laufen quer durch alle Schulformen und hängen mit den individuellen Herausforderungen der Schulen zusammen. Dass „Selbstständigkeit helfen kann, die inklusive Schule pädagogisch und organisatorisch in die Praxis umzusetzen“, glaubt beispielsweise Peter Baumann, Schulleiter einer Förderschule. „Denn Selbstständigkeit trägt der Tatsache Rechung, dass Prozesse am besten in der Schule vor Ort gelöst werden können“, davon ist Baumann überzeugt. Heiner Friedrich, Leiter einer IGS in Groß Gerau, hat keine Zweifel, dass die Gestaltungsfreiheit der Flexibilität zugute kommt, dass zugleich aber auf die Schulleitung auch viel mehr Arbeit zukommt. Angesichts der bereits heute schon hohen Belastung ein nicht unwesentliches Problem. Diese Position wurde auch von Vertretern anderer

Schulformen unterstützt. „Wir brauchen Zeit – Leitungszeit, um Schule steuern zu können“, bekräftigte Hans-Walter Krämer. Der Leiter einer Haupt- und Realschule forderte Entlastung durch die Unterstützungssysteme ein. Dass die Selbstständige Schule notwendig ist, davon ist Krämer allerdings überzeugt: „Ein unumkehrbarer Prozess.“ Doch dieser angestoßene Prozess muss sehr behutsam entwickelt werden. Mit dem Rollenwechsel künftiger Schulleitung ist auch ein höheres Risiko für Leiterinnen und Leiter verbunden. „Ich weiß nicht, ob diesen Rollenwechsel jeder mit Begeisterung annimmt, denn viele Schulleitungen haben ihren Dienst unter anderen Prämissen angetreten“, gibt Reinhard Rzytki, Schulleiter eines Gymnasiums zu Bedenken. „Meine Schule hat sich für das kleinere Budget entschieden, weil wir die Mittel dann effizienter steuern können“, berichtet er. „Zuletzt hatten wir 13 verschiedene Etats, die getrennt gerechnet werden sollen. Und weil diese zum Oktober abgeschlossen sein sollen, werden Ausgaben nicht immer sinnvoll eingesetzt. Hier sind viele Mittel regelrecht verbrannt worden“, so seine Kritik am bisherigen Vorgehen. Mit dem kleinen Budget ist eine hundertprozentige Rücklagenbildung möglich, die innerhalb von drei Jahren aufgebraucht werden muss. Darüber hinaus können Schulen bisher getrennt geführte Budgets für Lern-, Vertretungs-, IT-Vertretungsmittel sowie für Fortbildungen zusammenführen. Innerhalb dieses kleinen Budgets können Schulleiterinnen und Schulleiter unabhängig über die Verwendung der übertragenen Mittel entscheiden. Dabei wird als Vorteil gesehen, dass einzelne Budgetbestandteile gegenseitig deckungsfähig sind. Rund 1000 Schulen haben sich inzwischen für das kleine Budget entschieden – darunter viele Grundschulen, die sich von diesem Schritt unabhängigeres und flexibleres Wirtschaften erhoffen. „Wir wollen dies als Chance nehmen und die Enge der Einzelbudgets überwinden“, hofft Stefan Wesselmann. „Aber wenn ich weiterdenke“, zweifelt der Leiter der mittelgroßen Grundschule, „wer soll beim großen Budget Personalmittel verwalten?“ Schulleitungen kleiner Schulen und deren Konrektorinnen und -rektoren haben eine hohe Unterrichtsverpflichtung. Immer wieder wird der Ruf nach mehr Leitungszeit laut, um ihre Schulen entsprechend der neuen Aufgaben vor allem in den Feldern Bud-

Bildung im Blick get und Personal leiten zu können. Der Wunsch nach Unterstützung wie einer Anlaufstelle für Budget- und juristische Fragen, nach geeigneten Materialien, zeitnahen Rückmeldungen zum aktuellen Schulkontostand, Fortbildungen, Informationsveranstaltungen uvm. war Thema, das wie ein roter Faden alle Diskussionen durchzog. Kooperation ist für kleine Systeme eine große Chance Und dennoch bringt jede Schulform ihre eigenen Spezifika und damit auch ihre eigenen Herausforderungen mit sich. Gerade bei kleinen Grundschulen liegt eine besondere Schwierigkeit in fehlenden Sekretariatskapazitäten. Sie verfügen nur über wenige Sekretariatsstunden pro Woche. Enge Kooperation scheint für kleine Systeme daher eine große Chance zu sein. Günter Drenkelfort, Referent aus dem Niedersächsischen Kultusministerium, bekräftigte, dass die verfügbaren Mittel bei klein(st)en Schulen ausgesprochen gering sind. Sie profitieren daher vor allem dann von der neuen finanziellen Entscheidungsfreiheit, wenn sie im Rahmen selbst organisierter Netzwerke kooperieren und ihre Ressourcen wie Sachmittel und Personal zusammenlegen, damit sie sie flexibler und effizienter einsetzen können. Die gemeinsame Nutzung personeller Ressourcen ist auch mit Blick auf neue personelle Anforderungen wie der Inklusion interessant. Von der Netzwerkarbeit und Kooperation erhoffen sich viele Schulleitungen, ihre Schulstandorte trotz sinkender Schülerzahlen aufrecht erhalten zu können. Denn 2021, so ein Prognose, werden nur noch 1.500.000 Schülerinnen und Schüler statt der 6.500.000 (Stand 2009) im gesamten Schulsystem sein. In der Erhöhung der Stellenzuweisung von 101 auf 105% liegt nach Auffassung vieler Schulpraktiker ebenfalls eine Chance, um disponible Personalressourcen zur Qualitätsentwicklung und für Innovationen zu erhalten. Gerade die Beteiligung an Kooperationen und die Verbesserung von Unterricht seien ohne gemeinsame Arbeitszeit für Kollegien kaum zu realisieren, verbindliche Qualitätsstandards damit nicht einlösbar. Aber wie realistisch sind Wünsche nach mehr Geld, Stellen und struktureller Unterstützung? Jürgen Weiler, Referatsleiter im HKM und dort u.a. für Lehrerzuweisung und Budget der allgemein bildenden Schulen verantwortlich, skizzierte den Weg. Selbstverständlich seien die 105% ein wichtiger

Baustein. Bis zur vollständigen Umsetzung 2014 gibt es einen Stufenplan. Zum 1. August sollen die SBS 1% mehr Stellen erhalten, Anfang 2012 wird ein weiteres Prozent zur Verfügung stehen. Im Folgejahr sollen auch alle anderen Schulen dann 1% mehr Stellen erhalten. Da bei aktuell gültiger Verordnungslage dieses Mehr an Ressourcen nur für Unterricht und Deputate verwendet werden darf, muss die Pflichtstundenverordnung geändert werden, so dass der Mitteleinsatz künftig flexibler erfolgen kann. Auch Abteilungsleiter Dieter Wolf (HKM) bekräftigte, dass Schulen eine verlässliche Grundlage erhalten werden. „Aktuell werden die Eckpunkte für das große Schulbudget festgelegt. Wenn diese zusammen mit der 105%igen Zuweisung kommen, verfügen Schulen über größere finanzielle Spielräume. Das neue Schulgesetz und hier insbesondere §127 sind aktuell geändert und sollen zum ersten August in Kraft treten.“ Und er ergänzte, dass auch die Dienstordnung modifiziert wird, so dass Schulleitungen Befugnisse auch auf andere Personen übertragen können. „Es geht also um ein Gesamtinstrumentarium“, so Wolf. Ausbildung und Qualifizierung von Lehr- und Führungskräften ist Kernthema der Selbstständigen Schule Besonders intensiv wurde auch um die Rollenzuschreibung für Schulleitung gerungen. Nach Einschätzung vieler Fachexperten umfasst das zukünftige

leiter steuern nicht nur eine Organisation. Sie sind letztlich verantwortlich, dass an ihren Schulen guter Unterricht gehalten wird. Sie benötigen demnach ein konkretes Bild davon, wie kompe-

Jaqueline Vogt (FAZ) (Mitte), Moderatorin der Fachtagung, machte sich zur Anwältin, damit alle Themen, „auch die schwierigen, auf´s Parkett“ kamen. (Foto: Reinhold Fischich)

tenzorientierter Unterricht in der Praxis aussieht. Und da Schulleitungen als oberste Hüter und Entwickler von Unterrichtsqualität ihre Kollegien mitnehmen müssen, brauchen sie Kenntnisse in der Steuerung von Veränderungsprozessen. Hier sind externe Unterstützung, Begleitung beim Prozess der Unterrichtsentwicklung, Qualifizierung von Fachschaften und vieles mehr Voraussetzung und Gelingensbedingung gleichermaßen. Der Erfolg von Selbstständigkeit wird sich unter anderem daran messen lassen müssen, wie gut Lernende unterrichtet werden, wie hoch Kompetenzzuwächse bei Schülerinnen und Schülern sind. Es wird

Selbstständige Schulen gibt es, um die Unterrichtsqualität zu verbessern. Es ist Kernaufgabe des AfL, Lehrkräfte gut aus- und fortzubilden. „Berufsbild Schulleitung“ neue Aufgaben im Bereich Schul- und Personalentwicklung und Schulmanagement. Allerdings gibt es Klärungsbedarf, wie künftig Aufgaben verteilt, Leitungszeit verändert und andere pädagogische Aufgaben definiert und zugeordnet werden. Da selbstständige Schulen beispielsweise über ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem, also pädagogisches Qualitätsmanagement durch Individualfeedback, Fokusevaluation, Steuerung der Qualitätsprozesse durch die Schulleitung und Metafeedback verfügen, wurde hinterfragt, inwiefern Q2E-Schulen noch eine Schulinspektion benötigen. Und noch mehr zu den Rollenanforderungen: Schulleiterinnen und Schul-

in den nächsten Jahren daher darauf ankommen, Schulleitungen und Kollegien gerade auch in der Unterrichtsentwicklung zu unterstützen. Nach Ansicht des Leiters des Amtes für Lehrerbildung, Frank Sauerland, berührt die Frage nach Ausbildung und Qualifizierung der Lehr- und Führungskräfte ein Kernthema der Selbstständigen Schule. „Selbstständige Schulen gibt es, um die Unterrichtsqualität zu verbessern. Es ist Kernaufgabe des AfL, Lehrkräfte gut aus- und fortzubilden. Das Stichwort lautet kompetenzorientierter Unterricht.“ Selbstständige Schule kann nur gelingen, wenn Personal entsprechend qualifiziert ist bzw. wird. Sabine Stahl

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Bildung im Blick

Wie Lesekompetenzen Jugendlicher wirksam verbessert werden können Ergebnisse der europäischen Studie ADORE

Auch die neuesten PISA-Ergebnisse 2009 bestätigen, dass in der Verbesserung der Lesekompetenzen Jugendlicher dringender Handlungsbedarf besteht: Bis zum Jahr 2020, so die Zielvorgabe der European Education Benchmarks, sollen weniger als 15 Prozent der europäischen Fünfzehnjährigen zur Risikogruppe der schwachen Leser gehören; aktuell sind es jedoch rund 23 Prozent. Wie dieses anspruchsvolle Ziel erreicht werden kann, ist der Gegenstand eines europäischen Forschungsprojektes gewesen, das in den Jahren 2006 bis 2009 unter Beteiligung von Expertinnen und Experten aus 11 europäischen Ländern durchgeführt wurde: „ADORE- Teaching StrugglingADOlescentREaders. A Comparative Study of Good Practice in European Countries“.

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as transnationale Projekt wurde von einem Dreiergespann – Prof. Dr. Christine Garbe (Universität Köln), Dr. Karl Holle und Prof. Dr. Swantje Weinhold (beide Leuphana Universität Lüneburg) – geleitet. Das AfL-Fortbildungskonzept und seine Umsetzung sind modellhaft für die europäische Leseförderung Auf Einladung des Konsortiums hatte neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus 11 europäischen Universitäten und Lehrerbildungsinstituten auch ein Team des Amtes für Lehrerbildung an dieser Studie teilgenommen. Transnationale Wissenschaftlerteams begutachteten das Fortbildungskonzept „Lesen macht schlau“, das im AfL 18

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entwickelt worden ist, und dessen Umsetzung auf regionaler Ebene. Das Wissenschaftlerteam war sich einig, dass die Qualifizierung von Lehrkräften

Schulamts und der Einzelschule wurden vom Wissenschaftlerteam als modellhaft für die europäische Leseförderung hervorgehoben.

Der Aufbau eines positiven Lese-Selbstkonzeptes ist das oberste Ziel aller Maßnahmen zur Leseförderung und das Herzstück der ADORE-Philosophie.

zu Fortbildnerinnen und Fortbildnern durch das AfL positive unterrichtliche Effekte in den besuchten hessischen Schulen hervorgebracht hat. Das Lehrerfortbildungskonzept und auch seine Umsetzung durch die Fortbildnerinnen und Fortbildner auf der Ebene des

In einem ihrer Beiträge zum Projektbericht für die Europäische Kommission stellt Dorothee Gaile, Leiterin des AfL-Teams, zentrale Gelingensbedingungen für kompetenzorientierten Leseunterricht in allen textbasierten Fächern dar. Ein innovatives

Bildung im Blick Prozessmodell des Lehrens und Lernens wird durch vielfältige Blicke in europäische Klassenzimmer verdeutlicht. Ein weiteres Kapitel der Autorin ist der Bestandsaufnahme zur Rolle von Leseförderung in der europäischen Lehrerbildung und deren Perspektive gewidmet. ADORE hat Best-Practice-Modelle schulischen Leseunterrichts in Sekundarstufen in allen Teilen Europas untersucht. Das PISA-Siegerland Finnland (Risikoschüler lt. PISA 2006: 4,8%) war ebenso vertreten wie das europäische PISA-Schlusslicht Rumänien (Risikoschüler lt. PISA 2006: 53%). Als Ergebnis umfangreicher Erhebungen qualitativer Daten und Studien vor Ort hat das ADORE-Konsortium nun eine Publikation vorgelegt, in der 13 Schlüsselelemente guter Praxis in Unterricht, Schulprogrammen und Bildungspolitik definiert und an Beispielen veranschaulicht werden.1 Isolierte Leseanimation greift zu kurz Leseförderung ist eine Aufgabe aller Unterrichtsfächer in allen Klassenstufen während der gesamten Schulzeit. Leseförderung muss auf die gesamte Schülerpersönlichkeit zielen; isolierte Leseanimation oder Trainingsprogramme greifen zu kurz. Entscheidend ist die Veränderung des lese- und lernbezogenen Selbstbildes der schwachen Leserinnen und Leser. Erst wenn diese durch entsprechende positive Erfahrungen die Zuversicht gewonnen haben, dass sie Texte lesen und verstehen können, werden sie diese auch lesen wollen. Der Aufbau eines positiven Lese-Selbstkonzeptes ist darum das oberste Ziel aller Maßnahmen zur Leseförderung und das Herzstück der ADORE-Philosophie. Bildungssysteme, denen das Prinzip der Förderung zugrunde liegt („supportive systems“), weisen einen weitaus effektiveren Leseunterricht auf als Bildungssysteme, die auf dem Leistungs- und Selektionsprinzip basieren („selective systems“). Deutschland gehört bislang zu den Ländern, deren Bildungssystem besonders selektiv und wenig unterstützend ist.

Wenn Lehrkräfte aller Fächer schwache Lerner im Lesen gezielt fördern sollen, brauchen sie zunächst selbst Unterstützung: durch eine qualifizierte Ausbildung und Fortbildung, durch entsprechende Schulprogramme und engagierte Schulleitungen,

Der wichtigste Erfolgsfaktor einer im Unterricht kontinuierlich realisierten Leseförderung ist eine hoch entwickelte Expertise von Lehrkräften, die in der Lehrerausbildung und einer regelmäßigen Fortbildung gesichert werden muss.

Der wichtigste Erfolgsfaktor einer im Unterricht kontinuierlich realisierten Leseförderung ist eine hoch entwickelte Expertise von Lehrkräften, die in der Lehrerausbildung und einer regelmäßigen Fortbildung gesichert werden muss.

durch multiprofessionelle Unterstützungsteams in den Schulen (Schulpsychologen, Lese-Experten, Sozialarbeiter etc.), durch Wissenschaftler, die eine praxisrelevante Forschung und Wissenstransfer betreiben, durch Kommunen und vor allem durch eine Bildungspolitik, die angemessene rechtliche und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellt. Hoch entwickelte Expertise von Lehrkräften als bedeutsamer Erfolgsfaktor Die Leseschwäche Jugendlicher kann nur durch qualitativ hochwertigen Unterricht effektiv bearbeitet werden: Die Veränderung von Unterricht ist darum das Hauptanliegen der ADOREStudie. Der ADORE Reading Instruction Cycle stellt eine Alternative zum herkömmlichen Unterricht vor. Seine grundlegenden Prinzipien sind die kontinuierliche Diagnose der Schülerfähigkeiten als Ausgangspunkt der Planung von Lernprozessen sowie die Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler in die Definition von Lernzielen, die Auswahl von Lesestoffen und die Erarbeitung von Lesestrategien sowie in die Überprüfung der eigenen Erfolge. Die Lehrkraft agiert dabei als „kompetenter Anderer“, der die Lernenden in die „Zone ihrer nächsten Entwicklung“ (Vygotsky) begleitet, sie berät und unterstützt, aber auch bis zu ihren Leistungsgrenzen herausfordert.

Heutzutage verfügen selbst Deutschlehrkräfte in der Regel nur über unzureichende Kenntnisse der inzwischen hoch entwickelten Lesedidaktik, Lehrkräfte anderer Fächer meist über gar keine. Eine systematische Lehrerfortbildung zur Gestaltung eines guten, fachspezifischen Leseunterrichts ist darum eine der dringendsten weiteren Aufgaben der Bildungspolitik. Um dieses Desiderat zu bearbeiten, haben Christine Garbe und Karl Holle bereits ein neues EUProjekt eingeworben: In BaCuLit2 wird es darum gehen, ein modularisiertes Kerncurriculum zur fächerübergreifenden Lehrerfortbildung in der Lesedidaktik für Europa zu erarbeiten. An diesem Projekt sind acht europäische Länder und zwei US-Experten beteiligt. Es ist im Januar 2011 gestartet. Thomas von Machui Dezernat Fortbildung (Amt für Lehrerbildung)

Eine 18-seitige Zusammenfassung der Ergebnisse („Executive Summary“) ist in deutscher und englischer Sprache auf der ProjektHomepage verfügbar: www.adore-project. eu. Als ein Ergebnis des Projektes wurde zudem ein internationales „Adolescent Literacy Network“ gegründet, dessen Aktivitäten auf der Homepage www.alinet.eu dokumentiert werden.

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“Basic Curriculum for Teachers‘ In-service Training in Content Area Literacy in Secondary Schools”, Comenius Multilateral Projects, www.baculit.eu

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Infokasten

Weitere Informationen unter: www.adore-project.eu. Unter „downloads“ findet sich der Artikel, in dem die Ergebnisse des ADORE-Projektes ausführlicher beschrieben werden: Garbe/Groß/Holle/Weinhold: „Blick über den Zaun: Leseförderung in Europa. Ergebnisse und Einsichten aus dem EU-Projekt ADORE“. Erschienen in: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus/Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (Hrsg.): ProLesen. Auf dem Weg zur Leseschule. Leseförderung in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern. Aufsätze und Materialien aus dem KMK-Projekt „ProLesen“. Donauwörth: Auer Verlag 2010; Ansprechpartnerin im AfL: Dorothee Gaile

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Bildung im Blick

Next Generation Klassenzimmer verwandeln sich in multimediale Lernzentren Jetzt ist es so weit: Die Zukunft beginnt. Das Amt für Lehrerbildung startete im März eine hessenweite Initiative zum Einsatz interaktiver Whiteboards in der Lehrerbildung. Immer stärker prägen Informations- und Kommunikationstechnologien den Alltag. Auch die klassischen Medien des Lernens verändern sich.

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iele hessische Schulen werden zunehmend mit interaktiven Whiteboards ausgestattet. In manchen Schulen werden sie inzwischen sogar ausschließlich eingesetzt - es gibt dort keine klassischen Tafeln mehr. Weg von der Kreidetafel hin zu interaktiven Whiteboards lassen sich nun benutzerfreundlich Texte, Bilder, Schulbuchseiten, Internetseiten oder Videosequenzen aufrufen und bearbeiten. Entwickelte Tafelpräsentationen können gespeichert und später als Datei oder Ausdruck allen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt werden. Kurz: Das Klassenzimmer verwandelt sich in ein interaktives Lernzentrum. Dies ist eine Herausforderung an eine zeitgemäße Lehrerbildung im Sinne der Vorbereitung zukünftiger Lehrerinnen und Lehrer auf die veränderte mediale Wirklichkeit in den Schulen. Es bedarf dabei

Kreide war gestern. Heute wird in Klassenzimmern mit Laptop, Spezialstiften und flinken Fingern an interaktiven Whiteboards gelernt. (Foto: Sabine Stahl)

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im Besonderen auch der Vermittlung von methodischen und didaktischen Kompetenzen zur Nutzung der neuen Medien im Unterricht. Mit seinem landesweiten Projekt „Interaktive Whiteboards in der hessischen Lehrerausbildung“ will das Amt für Lehrerbildung zukünftig Ausbilderinnen und Ausbilder zentral fortbilden sowie Materialien und Empfehlungen für einen pädagogisch fundierten Einsatz zur Verfügung stellen. Ziel ist es, alle Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst und somit Hessens Nachwuchskräfte mit der Anwendung des neuen Lehrund Lernmediums sowie mit zukunftsorientierten didaktisch-methodischen Unterrichtskonzepten vertraut zu machen. In Kooperation mit dem Unternehmen SMART Technologies wurden alle hessischen Studienseminare mit neuen interaktiven Whiteboards ausgestattet, so dass eine moderne technische Ausrüstung gesichert ist. Kreidestaub und ausgetrocknete Hände – all das scheint (künftig) ein Relikt aus vergangenen Zeiten Aber wie sieht er nun aus, der Unterricht mit einem interaktiven Whiteboard? Dr. Sabrina Alfonso weiß den Nutzen der neuen Generation Tafeln sehr zu schätzen. „Internet, Fernseher, DVD, Overheadprojektor, Tafel - alle Medien aus einer Hand“, so bringt sie es auf den Punkt. Als Quereinsteigerin und somit Neuling im Schuldienst arbeitet sie im Unter-

richt von Beginn ihrer Lehrerkarriere an mit interaktiven Whiteboards. Quietschende Kreidetafeln, nasse Schwämme, Kreidestaub und ausgetrocknete Hände - all das scheint für die junge Lehrerin ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Mit interaktiven Stiften und flinken Fingern zaubert sie in ihrem Unterricht Abbildungen, Filmsequenzen, Internet- oder Lehrbuchseiten auf die Tafel. Alles, was an der neuen Tafel (ent)steht, lässt sich einfach und schnell abändern, beschriften und natürlich speichern. Die Biologielehrerin hat so die Möglichkeit, Unterrichtssequenzen zu dokumentieren, in der nächsten Stunde wieder einzusetzen oder für die Lerngruppe auszudrucken. Zahlreiche intuitive Programme stehen zur Verfügung. So lassen sich zum Beispiel mit Hilfe von Abbildungen Frösche nach und nach sezieren, Herzen in 3D darstellen oder anhand von technisch aufwendigen Videosequenzen der Blutkreislauf erklären. Mit einer zusätzlichen Dokumentenkamera können Hefte oder Arbeitsblätter an die Tafel projiziert und gemeinsam besprochen bzw. korrigiert werden. Die Schülerinnen und Schüler freut es, besticht das neue Medium nicht nur in der Einführungszeit durch einen enorm hohen Aufforderungscharakter, vor die Klasse zu treten und an der Tafel zu agieren. Praktisch findet Alfonso auch, dass sie die intuitive Software des Boards auf ihrem Laptop installiert hat. So

Bildung im Blick kann die Tafel-Oberfläche jederzeit am heimischen PC angezeigt und praktisch von zu Hause aus vorbereitet werden. Manche Kolleginnen und Kollegen hingegen bemängeln, dass Zeichnungen, wie zum Beispiel ein detailgetreues Auge für den Biologieunterricht, am interaktiven Whiteboard nicht gelingen, da die Vielfalt der klassischen Kreidefarben sowie die Möglichkeit des Schraffierens fehle. Auch reiche oftmals die Projektionsfläche des Whiteboards nicht für das klassische Tafelbild aus, das über die Stunde hinweg entwickelt wurde. Dr. Alfonso hält dagegen, dass eigenhändige Zeichnungen mit dem interaktiven Whiteboard fast überflüssig werden, da zahlreiche modifizierbare Abbildungen zur Verfügung stehen. Zudem weiß sie den Vorteil zu schätzen, dass sie bei der interaktiven Tafel zwischen mehreren Tafelbildern hin- und herblättern, ältere Sequenzen wieder aufrufen und diese sogar verändern oder Teile davon herauskopieren kann. Ebenso fällt das zeitraubende und kostenintensive Herstellen von Farbfolien weg, da sich vielfarbige Abbildungen nun ganz bequem der Klasse präsentieren lassen. „Die Flexibilität eines interaktiven Whiteboards gegenüber einer klassischen Tafel ist unglaublich groß. Wichtig ist, dass man mit möglichst vielen Funktionen vertraut ist, und diese entsprechend einsetzen kann“, so die junge Lehrerin. Als Übergangslösung hat sich in ihrer Schule hauptsächlich im naturwissenschaftlichen Bereich eine Kombination aus beidem bewährt: eine klassische Tafel neben einem interaktiven Whiteboard. Das bietet vor allem skeptischen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, sich langsam dem neuen Medium zu nähern, ihren Unterricht und somit auch die Unterrichtsvorbereitungen nach und nach umzustellen und vor allem die vielfältigen Möglichkeiten kennenzulernen. Erprobte pädagogische Anwendungskonzepte zum Whiteboard sind noch Mangelware „Was in der Tat bisher noch in vielen Kollegien fehlt“, ist der Leiter des Projekts „Whiteboards in der hessischen Lehrerausbildung“, Manfred König, überzeugt, „sind erprobte und an den Fächern orientierte pädagogische Anwendungskonzepte.“ Mit seiner Initiative will das Amt für Lehrerbildung künftige Lehrerinnen und Lehrer bereits in der Ausbildung noch stärker auf die Nutzung interaktiver Whiteboards

vorbereiten. „Deshalb haben wir gemeinsam mit der Frankfurter GoetheUniversität und der Firma SMART ein Konzept erstellt, um die Anwendung in der Lehrerausbildung zu etablieren“, erklärte Manfred König weiter. Der Hersteller SMART Technologies stellte allen Studienseminarstandorten und den Tagungsstätten des AfL interaktive „SMART Boards“ zur Verfügung. Nun können die Seminare die neuen Tafeln in praxisnahen Unterrichtsszenarien und in die pädagogische Ausbildung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst einbeziehen. Während der Eröffnungsveranstaltung zum landesweiten Projekt führten Ausbilderinnen und Ausbilder zusammen mit Lehrkräften im Vorbereitungsdienst aus den Darmstädter Studienseminaren anhand von kurzen Unterrichtssequenzen der Öffentlichkeit anschaulich vor, wie die interaktiven Tafeln in Schule, Unterricht und Lehrer(aus)bildung eingesetzt werden können.

Wissenschaft immer stärker durch Informations- und Kommunikationstechnologien geprägt wird.“ Der Vertreter von SMART Technologies, Frank Adameit, erklärte, dass das Unternehmen Anbieter von Komplettlösungen sei und Wert darauf lege, Hard- und Softwareprodukte im Bildungsbereich aufeinander abzustimmen. „Unser großes Interesse ist es, gemeinsam mit den Anwenderinnen und Anwendern unsere „Lösungen“ ständig weiterzuentwickeln. Das macht für uns die Zusammenarbeit mit dem Amt für Lehrerbildung so bedeutsam.“ Frank Sauerland, Leiter des Amtes für Lehrerbildung, hob hervor, dass neue Technologien in den Schulen nur dann sinnvoll genutzt werden könnten, wenn es dazu die passenden pädagogischen Konzepte gebe. „Dass wir nun so schnell die interaktiven Whiteboards quasi flächendeckend in der Lehrerausbildung zur Verfügung haben und testen können, ist ein kleines Wunder und eine große Chance

Dass wir nun so schnell die interaktiven Whiteboards quasi flächendeckend in der Lehrerausbildung zur Verfügung haben und testen können, ist ein kleines Wunder und eine große Chance für uns. Staatssekretär Heinz-Wilhelm Brockmann begrüßte die Initiative des Amtes für Lehrerbildung und die Bereitschaft des Unternehmens SMART Technologies, die Entwicklung pädagogisch sinnvoller Konzepte in der Lehrerausbildung zu fördern. „Das Lernen mit und durch digitale Medien gerade auch in der schulischen Bildung hat eine herausragende Bedeutung in einer Welt, die in Alltag, Wirtschaft und

für uns. Wir sind entschlossen, diese Chance auch zu nutzen. Für das AfL ist die Lehreraus- und -fortbildung Kerngeschäft und mit dieser Kooperation tragen wir dazu bei, die Potenziale für besseres und zeitgemäßeres Lernen auszuschöpfen, die in den interaktiven Whiteboards angelegt sind.“

Justina Heinz

Frank Adameit (SMART Technologies), Frank Sauerland (Amt für Lehrerbildung), Staatssekretär Heinz-Wilhelm Brockmann (Hessisches Kultusministerium) (v.l.n.r.) und Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst betrachten während der Eröffnungsveranstaltung zum landesweiten Projekt „Interaktive Whiteboards in der hessischen Lehrerausbildung“ aufmerksam den Einsatz der neuen Tafeln in praxisnahen Unterrichtsbeispielen. (Foto: Sabine Stahl)

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Bildung im Blick

Fortbildungsplanung am Amt für Lehrerbildung – Koordination und Steuerung Die berufsbegleitende Fortbildung ist ein wichtiges und wirksames Element bei der Qualitätsentwicklung von Unterricht und Schule. Zahlreiche Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Lehrerfortbildung erheblichen Einfluss auf den Lernerfolg im Unterricht hat. Als zentraler staatlicher Anbieter von – vornehmlich landesweiten – Fortbildungen bietet das Amt für Lehrerbildung im Auftrag des Hessischen Kultusministeriums qualitätsgesicherte Angebote für Lehrkräfte an. Es unterstützt gezielt die Personalentwicklung in den Schulen und führt Weiterbildungskurse durch. Dafür wird ein bedarfsorientiertes, landesweit ausgerichtetes Programm gebraucht.

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och um wirksam das System Schule in der Unterrichts-, der Führungskräfteentwicklung und der Medienbildung unterstützen zu können, ist eine solide, an der Zielgruppe orientierte Planung und Durchführung der Fortbildungsprojekte notwendig. Zunächst ist auf einer tragfähigen Basis zu eruieren, was überhaupt von wem benötigt wird. Nur wenn die Bedarfslage eindeutig er- und bekannt ist, können maßgeschneiderte Programme entwickelt werden, kann das Unterstützungssystem Fortbildung Schulen und Lehrkräfte wirksam in ihrer Arbeit unterstützen. Daher ist die systematische Bedarfserhebung Bestandteil einer validen, konsistenten Gesamtplanung. Doch mit der Erhebung des Fortbildungsbedarfs allein ist noch kein Fortbildungskonzept vorhanden, ist der landesweiten Bedarf noch nicht aggregiert, ist noch keine Finanz- und Ressourcenplanung für die rund 20 landesweiten

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Projekte aufgestellt, ist die Gesamtkoordination aller Projekte nur in einem ersten Schritt erfolgt. Um Akzeptanz zu sichern und Qualität gemeinsam zu entwickeln, braucht es also ein Steuerungs- und Prozessmodell, das transparent und mit den Prozesspartnern abgestimmt ist. Im Amt für Lehrerbildung ist für die zyklisch wiederkehrende Planung ein solches Steuerungs- und Prozessmodell entwickelt worden, das mit dem Hessischen Kultusministerium abgestimmt ist. Bei der Planung fließen aktuelle pädagogische und didaktische Entwicklungen und Neuerungen ein, um Güte und Brauchbarkeit der Fortbildungen zu sichern. Eines ist dabei stets im Fokus der Arbeit: die qualitative Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Unterrichts und der Schule. Wie verläuft der Prozess von der systematischen Bedarfserhebung bis zur gezielten Programmumsetzung im Amt für Lehrerbildung?

Mit der Bedarfserhebung beginnt alles Am Amt für Lehrerbildung werden umfangreiche, systematische Analysen der landesweiten Bedarfslage durchgeführt. Summarisch betrachtet bezieht sich diese Auswertung auf folgende Felder: bildungspolitische Vorgaben, konkrete Meldungen der Schulen zu ihrem Fortbildungsbedarf (diese werden dem AfL über die Staatlichen Schulämter hinsichtlich landesweit erkennbaren Bedarfs gemeldet), Ergebnisse aus Evaluationen der Fortbildungsmaßnahmen, Erhebungen des Instituts für Qualitätsentwicklung, außerdem zahlreiche nationale und internationale wissenschaftliche Studien.1

Bildung im Blick Das nachfrageorientierte Gesamtbild entsteht am AfL somit aus der Zusammenführung von Analyseergebnissen aus unterschiedli-

mit anderen Institutionen findet der Austausch statt. Am Ende dieses Prozessganges steht somit ein mit dem Ministerium in grundsätzlichen

Um den Planungsvorgang sämtlicher Fortbildungsprojekte so effizient wie möglich zu gestalten, hat das AfL auf der Grundlage der Erfahrungen der letzten drei Jahre ein hausinternes Planungsinstrument entwickelt, das für die Planung des Fortbildungsangebots 2012 erstmals eingesetzt wurde, und zwar mit Erfolg. chen Feldern, die sich Top down und Bottom up ergeben. Ebenso fließen Ergebnisse aus Arbeits- bzw. Dienstversammlungen mit anderen Institutionen ein. Die systematische Zusammenführung mündet schließlich in eine belastbare Auswertung mit konkreten Empfehlungen für die im Amt für Lehrerbildung koordinierten Fortbildungsbereiche. Die Analyseergebnisse werden zunächst amtsintern mit den verantwortlichen Organisationseinheiten (Abteilungs- und Dezernatsleitungen) vor dem Hintergrund des aus dem letzten Jahr bestehenden Produktportfolios besprochen. Veränderungsvorschläge werden diskutiert und pädagogische, didaktische, aber auch organisatorische und Ressourcen bezogene Überlegungen in den Blick genommen. Ergebnis dieser Phase ist eine klare, von allen getragene Vorstellung, welche Konsequenzen und Veränderungen sich für die Fortbildungsplanung ergeben. Auf dieser Grundlage konzipiert das Amt für Lehrerbildung dann sein Fortbildungsangebot als Entscheidungsvorlage für das HKM. Programme müssen entwickelt und die strategische Ausrichtung abgestimmt werden Bevor mit der konkreten Planung der Fortbildungsprojekte begonnen wird, finden mit allen inhaltlich betroffenen Referaten des Ministeriums Abstimmungsgespräche statt. Grundlage für diese Gespräche sind erste Planungsvorschläge, die Bedarfslage, wie sie sich aus Sicht des Amtes für Lehrerbildung darstellt, und die daraus gewonnenen Empfehlungen. In diesem Zusammenhang wird ausgehandelt, welche inhaltlichen Elemente im kommenden Jahr umzusetzen sind. Auch auf der Ebene der Dienstbesprechungen

und strategischen Positionen abgestimmtes Konzept, das als Grundlage für die konkrete Projektplanung dient. Die Ergebnisse werden in die hauseigenen Gremien im AfL rückgekoppelt und der anlaufende Gesamtplanungsprozess gesteuert und koordiniert. Einheitliches Planungsinstrument für die Fortbildung Um den Planungsvorgang sämtlicher Fortbildungsprojekte so effizient wie möglich zu gestalten, hat das AfL auf der Grundlage der Erfahrungen der letzten drei Jahre ein hausinternes Planungsinstrument entwickelt, das für die Planung des Fortbildungsangebots 2012 erstmals eingesetzt wurde, und zwar mit Erfolg. Mit diesem Instrument wird eine umfassende, einheitliche, transparente und auf SAP basierte Fortbil-

Das Herzstück: Erstellung des Masterplans Der weitere Prozessverlauf führt schließlich nach Prüfung sämtlicher Fortbildungsprojekte zur Erstellung des Masterplans. Er gibt über alle Projektplanungen hinweg einen Überblick über den gesamten Personal- und Sachaufwand. Für den Betrachter des Masterplans wird damit schnell eine Übersicht über alle relevanten Daten geschaffen, Veränderungen in der Ressourcenzuweisung werden sofort deutlich. Im Masterplan werden der Gesamtaufwand je Projekt aufgeführt, und zwar aufgeschlüsselt nach Personal-, Sachkosten und Umlagen, ebenso nach Fortbildungsbereich. Darüber hinaus werden die Gesamtkosten über alle Projekte hinweg sichtbar. Es besteht so ein Überblick über die Ressourcenlage – AfL-intern wie auch für das Ministerium. Nach Rückkopplung mit den inhaltlichen Referaten des Ministeriums werden die gesamten Planungsgrundlagen in einen Gesamtkatalog der Fortbildungsangebote überführt. Beide Teile der Fortbildungsplanung – sowohl die rund 20 Projektplanungen wie auch der Masterplan – fließen in den Katalog zur Fortbildungsplanung ein. Außerdem wird noch eine weitere Planungsgrundlage eingearbeitet – der Meilensteinplan zur Fortbildungsplanung des Amts für Lehrerbildung. Dieser Katalog dient

Der gesamte Optimierungsprozess dient nur einem Ziel: der Unterstützung der schulischen Arbeit und damit den Schülerinnen und Schülern. Und zwar, in dem qualitätsvolle, am Bedarf ausgerichtete Fortbildung gesichert ist.

dungsplanung für alle Projekte ermöglicht. Inhaltliche Leistungen und das gesamte Spektrum der Ressourcenplanung sind nun leicht zugänglich. Als sinnvoll hat sich dabei in der vergangenen Planungsphase erwiesen, inhaltliche Leistungen immer im direkten Bezug zu Ressourcen zu setzen. Da jede Leistung – ja selbst jede Teilleistung – in vollem Kostenumfang betrachtet werden kann, bestehen für alle am Prozess Beteiligten nachvollziehbare Rahmenbedingungen: sowohl bei internen wie bei zwischenbehördlichen Abstimmungsgesprächen und Verhandlungen.

als Grundlage für die Verhandlungen über die inhaltliche Ausrichtung und die Ressourcen. Die Gespräche werden mit dem Referat des Ministeriums, das für das Amt für Lehrerbildung zuständig ist, und mit dem Mandantenleiter Schulen, er ist für das Gesamtbudget der Schulen zuständig, geführt. Das Finale: Die Kontraktvereinbarung In den Aushandlungsgesprächen zwischen dem Mandantenleiter Schulen und der Amtsleitung AfL wird die Gesamtplanung der Fortbildung mit dem

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Bildung im Blick Steuerungs- und Prozessmodell Fortbildungsplanung am Amt für Lehrerbildung

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Zuweisung des Fortbildungsbudgets. Kontrakte zwischen dem HKM und a) Amtsleitung b) Abteilungsleitung c) Fortbildungsdezernenten (Amtsleitung/AfL-Koordination der Fortbildung)

Umsetzung des Programms mit monatlichem Controlling, Berichtswesen und Evaluation Nach der Aufstellung des Haushalts für das folgende Jahr erneuter Prozessbeginn

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1

Abschlussverhandlung mit den zuständigen Organisationseinheiten im AfL (Abteilungen) und dem Mandantenleiter Schulen (HKM). Vereinbarung des Kontraktes

Erstellung einer Bedarfsanalyse auf der Grundlage verschiedener Quellenfelder (AfL-Koordination der Fortbildung)

(Amtsleitung/AfL-Koordination der Fortbildung)

6 Abstimmung des Programms mit den Fachreferaten des HKM (AfL-Koordination der Fortbildung)

Jedem Planungsschritt sind im Rahmen der Meilensteinplanung abgestimmte (HKM-AfL) zeitliche Setzungen zugeordnet, so dass der Gesamtprozess neben der inhaltlichen, der Ressourcen gemäßen, auch in der zeitlichen Dimension transparent ist.

2 Abstimmungsgespräche zur strategischen Ausrichtung der Fortbildungsplanung mit den Fachreferaten des HKM (AfL-Koordination der Fortbildung)

5 Prüfung der gesamten Fortbildungsplanungen. Erstellung des Masterplans Fortbildung (mit allen landesweiten Projektplanungen des AfL). Erstellung des Fortbildungskataloges des AfL aus dem Inhalte, Ressourcen, Meilensteine, Masterplan und Projektplanungen aller Einzelprojekte des AfL hervorgehen. (AfL-Koordination der Fortbildung)

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Kommunikation und Diskussion der Planungsgrundlagen (Inhalte, Ressourcen) amtsintern mit dem Ziel, eine einheitliche Position herzustellen (AfL-Koordination der Fortbildung)

Erstellung einer ersten Planung auf Grundlage der Ergebnisse (AfL-Koordination der Fortbildung)

Ziel verhandelt, diese in einen Kontrakt über zu erbringende inhaltliche Leistungen und hierfür benötigte Ressourcen zu bringen. Nach Abschluss des Kontrakts und Zuweisung der Ressourcen werden die vereinbarten Planungen zielgerichtet umgesetzt und die Projekte in ihrer Umsetzungsphase durch ein enges Controlling und Evaluationen begleitet. Aufgrund der nachvollziehbaren Datenlage, den transparenten Instrumenten und den miteinander verzahnten Abstimmungsprozessen kann das Amt für Lehrerbildung sein umfassendes, landesweit wirkendes Fortbildungsangebot anbieten.

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Es ist vorgesehen, künftig während der laufenden Fortbildungsmaßnahmen quartalsweise valide Kennzahlen zu den dabei erbrachten Leistungen zu erheben. Dadurch wird das Berichtswesen in seiner Aussagekraft qualitativ weiter verbessert. Ein dafür passendes Instrumentarium wird im Augenblick erarbeitet. Alle diese Maßnahmen sind – und das muss betont werden – kein Selbstzweck. Der gesamte Optimierungsprozess dient nur einem Ziel: der Unterstützung der schulischen Arbeit und damit den Schülerinnen und Schülern. Und zwar, indem qualitätsvolle, am Bedarf ausgerichtete Fortbildung gesichert ist.

Markus Geißelmann (Koordination der Fortbildung, Amt für Lehrerbildung)

Wie beispielsweise: E. Klieme et al (Hrsg.): PISA 2009 – Bilanz nach einem Jahrzehnt. Münster/New York/München/Berlin. Waxmann 2010. – Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.): Bildung auf einen Blick 2010 – OECD-Indikatoren. - F. H. Müller/ A Eichenberger/M. Lüders/J. Mayr (Hrsg.): Lehrerinnen und Lehrer lernen: Konzepte und Befunde zur Lehrerfortbildung. Münster. Waxmann 2010. – F. Lipowsky: Unterrichtsentwicklung durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrpersonen. In: Beiträge zur Lehrerbildung, 27 (3), 2009.

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Erforscht und Entwickelt

Visible Learning – Betrachtungen zur Publikation von John Hattie

Anliegen und Anlage der Studie / Die zentralen Einflussgrößen für den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern bilanzieren – dies ist die Substanz der viel zitierten Hattie-Studie. Aber die Studie ist mehr als irgendeine Bilanz, vielmehr geht es um einen einzigartigen Überblick über die internationale Lehrund Lernforschung. Die Arbeit ist vor allem aus zwei Gründen einzigartig. Erstens wird zum ersten Mal eine Forschungsarbeit über das breite Spektrum von 138 Einflussfaktoren zum Lernerfolg vorgelegt. Und zweitens wird zum ersten Mal der Versuch einer Gesamtschau aller Studien unternommen, die zu diesen Einflussfaktoren (in englischer Sprache) vorliegen. Grundlage der Forschungsbilanz sind über 50.000 Studien. Wir haben es mit der größten Datenbasis zur Unterrichtsforschung zu tun, die jemals zur Verfügung stand. Einen breiteren Erkenntnisstand gibt es bislang nicht.

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bwohl Hattie an der Studie 15 Jahre gearbeitet hatte, so ist eine solche Übersicht nicht durch die Lektüre aller dieser Studien und durch eine inhaltsanalytische Auswertung möglich. Vielmehr wurde ein statistisches Verfahren angewandt, bei dem die zentralen Ergebnisse einzelner Studien zu einem Untersuchungsbereich erfasst und miteinander in Beziehung gesetzt werden können. Hattie hatte auf 800 solcher sogenannter „Meta-Analysen“, denen die erwähnten 50.000 Studien zugrunde liegen, zurückgreifen können. Hatties Studie ist also eine Analyse dieser 800 „Meta-Analysen“. Ein solch ambitiöser Versuch ist nur durch ein methodisches Verfahren möglich, das es erlaubt, über ganz verschiedene Studien hinweg Ergebnisse miteinander

zu vergleichen. Dazu bedient man sich sogenannter „Effektmaße“, die etwas über die praktische Wirksamkeit von Einflussfaktoren aussagen. Bei dieser Untersuchungsmethode darf nicht übersehen werden, dass ein Vergleich von Daten über viele Studien hinweg nicht unproblematisch ist. Auch wenn bei Meta-Analysen bei der Auswahl der auszuwertenden einzelnen Studien bestimmte methodische Standards gesetzt werden, so muss dennoch darauf hingewiesen werden, • dass die methodische und inhaltliche Qualität der einzelnen Studien sehr unterschiedlich ist; • dass die berücksichtigten Studien über einen breiten Erfassungszeitraum von mehreren Jahrzehnten streuen;

• dass über die jeweils untersuchte Maßnahme und über die Güte ihrer empirischen Erfassung nichts bekannt ist; • dass die erfassten Studien das gesamte Spektrum des Bildungswesens abdecken (Vorschule, Schule, Hochschule, Erwachsenenbildung) und • dass Aussagen über das Zusammenwirken einzelner Komponenten in einem Gesamtkonzept methodenbedingt nicht möglich sind. Das unbestrittene Verdienst solcher Analysen liegt darin, dass über viele Untersuchungen hinweg zentrale Einflussgrößen identifiziert werden können. Bei der Bewertung der Ergebnisse orientiert sich Hattie an den erwähnten Effektmaßen. Hattie geht es nicht um BILDUNG BEWEGT NR.13 JUN/2011

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Erforscht und Entwickelt die Frage „What works?“, sondern um die Frage „What works best?“ Deshalb folgt er nicht der Konvention und beachtet Einflussfaktoren ab einem Maß von d > .20 (ab hier wird von kleinen Effekten gesprochen), sondern erst ab einem Wert von d > .40, weil erst ab diesem Schwellenwert mehr erreicht wird als der durchschnittliche Zuwachs eines Lernjahres durch normalen Unterricht. Von den 138 Einflussfaktoren befinden sich 66 Faktoren über diesem Schwellenwert von d >.40; Hattie nennt ihn „hinge-point“. Im Übrigen lassen sich 31 Einflussgrößen identifizieren, die unterhalb des Schwellenwertes von d > .20 bleiben, der anzeigt, dass praktisch keine Effekte vorliegen. Vor diesem Hintergrund identifiziert Hattie wirkungsmächtige und unwirksame Einflussfaktoren. Mit diesem Anliegen verbindet sich auch der Buchtitel: Der Band „Visible Learning“ ist der Versuch, Wirksamkeit von Lernprozessen „sichtbar“ zu machen (und zwar im Sinne von erkennbar, thematisierbar, einsehbar, belegbar, einsichtig und verhandelbar) – im Interesse einer empiriegestützten Bildungsplanung und Schulentwicklung. Hauptlinien der Ergebnisse In Anbetracht der Ergebnisvielfalt und der umfangreichen, aber dennoch komprimierten Berichterstattung lassen sich die Ergebnisse eigentlich nicht in knapper Form zusammenfassen. Besondere Aufmerksamkeit müssten darüber hinaus die Folgerungen erfahren, die aus den Forschungsergebnissen zu ziehen wären und die nachhaltige Auswirkungen für Handlungsperspektiven einzunehmen hätten. Im Vorliegenden lassen sich deshalb nur die ‚Hauptlinien’ zu den Ergebnissen und zu den Handlungsperspektiven aufzeigen. Betrachtet man die Faktoren über dem ‚Hattie-Schwellenwert’ von d > .40 (moderater Effekt) und unter dem Schwellenwert von d > .20 (kein Effekt), so zeigen sich gleich auf den ersten Blick zwei Auffälligkeiten. Erstens: Die wichtigsten Faktoren zur Vorhersage von Lernerfolg sind Vorwissen und kognitive Grundfähigkeiten, die in der Regel mit weiteren Faktoren wie sozioökonomischer Status, Anregungsgehalt und Engagement des Elternhauses verknüpft sind. Zweitens: Unter den wirksamen Einflussfaktoren („What works best?“) befinden sich viele Variablen, die den Unterricht und das Lehrerverhalten betreffen, und wenige Faktoren, die sich auf strukturelle und organisatorische Maßnahmen beziehen. Dieses Ergeb26

BILDUNG BEWEGT NR.13 JUN/2011

nismuster verweist auf die herausragende Bedeutung der Lehrperson für den Lernerfolg, und zwar sowohl hinsichtlich personaler Merkmale (Einstellungen, Haltungen) als auch hinsichtlich konkreter unterrichtlicher Verhaltensweisen (Unterrichtsskripte). Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass die strukturbezogenen Einflussgrößen überwiegend am Ende der Hattie-Rangreihe von 138 Variablen liegen. Klassenwiederholung befindet sich auf dem drittletzten Rang (Effektmaß -.16), die Klassengröße auf dem 106. Rang (Effektmaß .21). Merkmale, die auf eine klassen-, schultyp- oder schulformbezogene Eingruppierung der Schülerinnen und Schüler nach Rasse, Geschlecht, Religion oder Leistungsfähigkeit verwei-

1 Evaluative Lehr- und Lernhaltungen sowie eine entsprechende Schülerorientierung (mit den Augen der Lernenden!); 2 Strukturierung, Regelklarheit, Klassenführung (direkte Instruktion, „classroom management“); 3 Aktivierende Lernstrategien wie reziprokes Lernen (.74), meta-kognitive Strategien (.69), „self-questioning“ (.64), problemlösendes Lernen (.61), kooperatives Lernen (.59) oder „peer tutoring“ (.55); 4 humaner Umgang und lernförderliches Klima. Dieses Komponentenbündel zeigt im Übrigen hohe Entsprechungen zum Qualitätsbereich VI „Lehren und Lernen“ des Hessischen Referenzrahmens Schulqualität.1

If the teacher’s lens can be changed to seeing learning through the eyes of students, this would be an excellent beginning. sen, liegen mit niedrigen Effektmaßen im unteren Quartil der Rangreihe und unterhalb des .20-Grenzwertes, der keinen Effekt anzeigt. Diesen Erkenntnisstand vor Augen könnte man auch von einem Primat personaler Einflussgrößen vor strukturellen Einflussgrößen sprechen. Für Hattie sind dabei zwei Haltungen von entscheidender Bedeutung: Erstens wünscht er sich eine Unterrichtsgestaltung mit den Augen der Lernenden: „If the teacher’s lens can be changed to seeing learning through the eyes of students, this would be an excellent beginning.“ (Hattie 2009, S. 252) Zweitens haben für ihn evaluative Orientierungen beim Lehren und Lernen einen zentralen Stellenwert: Alle Informationen, die Auskunft über Lernmöglichkeiten, Lernstand, Lernprozesse und Lernerträge der Schülerinnen und Schüler liefern, sind von besonderem Interesse. Folgende Fragestellungen sind dabei für ihn konstitutiv: „Where are you going?“ „How are you going?“ „Where to next?“ Dabei hat er die Empirie auf seiner Seite: „Formative Evaluation“ steht an erster Stelle der beeinflussbaren Einflussfaktoren (Effektmaß .90); mit dem Wert .74 nimmt „Feedback“ ebenfalls einen herausgehobenen Platz ein. Schaut man sich die entsprechenden Ergebnisse im Einzelnen an, so wird ein Muster erkennbar, das sich aus folgenden zentralen Lehr-LernKomponenten zusammensetzt:

Auffallend ist in der Hattie-Zusammenstellung, dass Elemente der direkten Instruktion (nicht zu verwechseln mit lehrerzentriertem Frontalunterricht!) in einer Balance zu schülerorientierten Lernstrategien und Lernprozessen stehen, insbesondere sind hier zu nennen: metakognitive Strategien, Selbstverbalisierung, „mastery learning“, „concept mapping“ und reziprokes Lernen.2 Feedback und formative Evaluation können dabei als Bindeglieder gesehen werden. Voraussetzung für die Wirksamkeit dieser Lehr- und Lernstrategien ist ihre Anwendung in der Praxis. Die vorherrschenden pädagogischen Haltungen und Unterrichtsskripte stehen dem häufig entgegen. Neben den unterrichtsbezogenen Einflussfaktoren ist auch curricularen Materialien und Programmen eine erhöhte Wirksamkeit zuzusprechen, beispielsweise Programmen zur Leseförderung schwächerer Schülerinnen und Schüler. Diese curricularen „Steuerungsinstrumente“ nehmen in den Schulsystemen der deutschen Länder einen eher randständigen Stellenwert ein. Da deutsche Lehrerinnen und Lehrer unerfahren sind, mit unterrichtslenkenden Programmen dieser Art zu arbeiten (siehe z. B. den Umgang hessischer Schulen und Schulämter mit Elementen des kalifornischen Programms „Reading for Understanding“ im Rahmen des „Strategischen Ziels 2“), dürften solche Maßnahmen nicht auf Anhieb erfolgreich sein. Ein weitgehend ‚brachliegendes’ Feld im deutschen Schulwesen stellt

Erforscht und Entwickelt eine systematische Elternarbeit dar, die laut Hattie sehr einflussreich sein kann (.51). Sie könnte insbesondere für die „bildungsfernen“ Elternhäuser hilfreich sein, und zwar im Hinblick auf elterliches Unterstützungsverhalten und elterliche Umsorgung, was Lerneinstellungen und Lernverhalten ihrer Kinder anbelangt. Die Analyse von Hattie enthält auch Befunde, die mit Enttäuschungen verbunden sind. Aus pädagogischer Sicht überrascht beispielsweise, wie wenig wirksam offene Lernformen (.01), jahrgangsübergreifender Unterricht (.04), außerschulisches Lernen (.09), problemorientiertes Unterrichten (.15) und Team Teaching (.19) sind. Was offene Lernformen anbelangt, so vermutet Eckhard Klieme im Anschluss an Hattie, dass sie für den Aufbau „intelligenten Wissens“ nur relevant sind, „(…) wenn sie mit klarer Strukturierung und herausfordernden, kognitiv aktivierenden Inhalten einhergehen.“3 In Anbetracht der hohen Erwartungen an einer Individualisierung unterrichtlicher Prozesse gilt es kritisch auf das geringe Effektmaß von .23 hinzuweisen, das auch aufgrund der großen Datenbasis von 600 Studien unbedingt ernst zu nehmen ist. Dazu Eckhard Klieme: „Empirisch gibt es nur geringe Bestätigung für die Lernwirksamkeit von ‚individuellem Unterricht’ per se, aber starke Belege für bestimmte wohlstrukturierte Maßnahmen.“4 Individualisierung wie auch andere ‚offenere’ Lehr- und Lernformen bedürfen offenbar der strukturellen Einbettung und einer Ausbalancierung mit anderen Lehr- und Lernstrategien. Die bildungspolitische und pädagogische Zielsetzung einer Individualisierung

die Verstehensprozesse für jeden einzelnen Lernenden (S. 241). Handlungsperspektiven Abschließend sollen einige Perspektiven wenigstens noch stichwortartig angesprochen werden: 1 Ein Vergleich zentraler Hattie-Befunde mit den bildungspolitischen Empfehlungen des PISA 2009-Forschungskonsortiums5 zeigt hohe Übereinstimmungen, insbesondere hinsichtlich Maßnahmen zur Förderung schwächerer Schülerinnen und Schüler (z. B. „repeated reading programs“ (.67), „comprehensive interventions for learning disabled students“ (.77)), aber auch hinsichtlich von Vorhaben zur Förderung der Leistungsspitze, ferner zur Kompetenzorientierung und zu curricularen Programmen (wie SINUS in Deutschland) sowie im Hinblick auf Lehrerfortbildungsmaßnahmen („professional development“ (.62)). 2 Obwohl nahezu unwirksam, konzentrieren sich bildungspolitische Maßnahmen in der Regel auf Strukturmaßnahmen und Arbeitsbedingungen (S. 257). Reformen, die Unterricht (Lehrstrategien und Lernkonzepte) fokussieren, kommen dabei zu kurz (S. 255). Dass entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen hochwirksam sein können, weisen die Effektmaße zu „professional development“ (.62) und „Mikroteaching“ (.88) nach. Letztgenannte Maßnahme nimmt den zweithöchsten Wert der beeinflussbaren Variablen ein. Veränderungen in den pädagogischen Haltungen und Verhaltensweisen (beliefs und scrips) sind allerdings nicht einfach herbeizuführen und sind zudem kos-

Im Übrigen versteht Hattie unter Individualisierung keinen auf die einzelne Lernperson zentrierten Unterricht, vielmehr eine achtsame evaluative Ausrichtung auf die Lernfortschritte und auf die Verstehensprozesse für jeden einzelnen Lernenden.

sollte deshalb in einem Gesamtkonzept verankert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass mit dem Anspruch die Lehrerschaft bzw. der Schulalltag nicht überfordert werden. Im Übrigen versteht Hattie unter Individualisierung keinen auf die einzelne Lernperson zentrierten Unterricht, vielmehr eine achtsame evaluative Ausrichtung auf die Lernfortschritte und auf

tenintensiv. „The costs to make the implementations recommended in this book are among the more expensive, but the claim is that they are the right ones on which to spend our ressources.“ (S. 257) Insofern wäre ein stufenweiser Ausbau entsprechender Lehrerbildungs-Maßnahmen empfehlenswert, die sich zunächst auf die Berufsanfänger (nach dem

Referendariat) und auf Lehrpersonen mit besonderen Arbeitsbedingungen konzentrieren sollten. 3 Innovationen im Schulwesen sind häufig überfrachtet, fragmentiert, inkohärent und unkoordiniert (S. 2). Die einzelnen Instrumente bedürfen vielmehr der „Orchestrierung“; eine „Synchronisierung“ der verschiedenen Handlungsebenen (System-, Schul- und Unterrichtsebene) und der dort jeweils tätigen Akteure ist im Interesse einer wirksamen Bildungsplanung und Schulsystemsteuerung unverzichtbar.6

Ulrich Steffens (Institut für Qualitätsentwicklung) „Visible Learning. A synthesis of over 800 metaanalyses relating to achievement“ von John A. C. Hattie (London & New York: Routledge, 2009)

Steffens, Ulrich; Benisch, Ellen; Brömer, Bärbel; Diel, Eva; Höfer, Dieter; Knab, Joachim und Schreder, Gabriele: Hessischer Referenzrahmen Schulqualität – Qualitätsbereiche, Qualitätsdimensionen und Qualitätskriterien. Wiesbaden: Hessisches Institut für Qualitätsentwicklung, Oktober 2008.

1

2

Metakognitive Strategien sind Strategien zur bewussten Regulation bzw. aktiven Kontrolle des eigenen Lernprozesses. Selbstverbalisierung stellt eine kognitive Modellierung dar und ist eine Methode zur Rekonstruktion von eigenen Lernprozessen, z. B. bei der Suche nach fehlerhaften Lösungswegen oder im Interesse einer besseren Selbstwahrnehmung. „Mastery learning“ beabsichtigt ein zielerreichendes Lernen durch eine individuumsbezogene Abstimmung von Lernzielen mit den Vorkenntnissen des Lernenden. „Concept mapping“ ist eine Methode zur grafischen Darstellung von Wissen im Interesse einer Ordnungsstruktur von zu erlernenden Inhalten. Beim „reziproken Lernen“ wechseln Schülerinnen und Schüler die Rolle von Lernende und Lehrende – je nach ihrem Wissensstand.

3

Klieme, Eckhard: Individuelle Förderung. Politische Ziele – Pädagogische Konzepte – Empirische Befunde. Folienpräsentation zum Vortrag im Hessischen Kultusministerium am 26. Oktober 2010. Frankfurt/M.: Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), Oktober 2010, Folie 30.

4

A. a. O, Folie 31.

5

Klieme, Eckhard; Arteilt, Cordula; Hartig, Johannes; Jude, Nina; Köller, Olaf; Prenzel, Manfred; Schneider, Wolfgang und Stanat, Petra (Hrsg.): PISA 2009 – Bilanz nach einem Jahrzehnt. Münster et al.: Waxmann, 2010, S. 294 ff.

6

Steffens, Ulrich: Plädoyer für ein koordiniertes Zusammenspiel in der Schulsystemgestaltung. In: Die Deutsche Schule 101 (2009), Heft 3, S. 277-284.

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Kompetenzorientierung als Element der Schul- und Unterrichtsentwicklung – Abschlussveranstaltung zum Fortbildungsprojekt „Kompetenzorientiert unterrichten in Mathematik und Naturwissenschaften“ Die Zeit verging schnell für ca. 160 Schulen, die sich hessenweit seit zwei Jahren an dem Fortbildungsprojekt des Amtes für Lehrerbildung zum kompetenzorientierten Unterricht in Mathematik und Naturwissenschaften beteiligten. Eine Zeit angefüllt mit reichlich Aktivitäten, Tagungen und Konferenzen, galt es doch, Netzwerke zu bilden, Erfahrungen auszutauschen, Lernszenarien zu gestalten, Forschungsergebnisse zu analysieren und sich in Fachgruppen und Teams über Konsequenzen für die eigene schulische Praxis zu verständigen. Über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren am 11. Mai ins Frankfurter Gallusviertel gekommen, Lehrkräfte, Schulleitungen, Fortbildende aus den Staatlichen Schul-

Schulen machen das Thema Kompetenzorientierung zu ihrem eigenen

ämtern, Studienseminaren und Hochschulen. Das Projekt des AfL fand an diesem Tage zwar seinen „formalen“ Abschluss, nicht aber die begonnene Entwicklungsarbeit in den Schulen. Das machten auch die Präsentationen aus einigen Schulen deutlich, die während der Tagung in einer Ausstellung gelungene und erprobte Beispiele aus der Unterrichtspraxis vorstellten. Christoph Maitzen, Projektleiter aus dem AfL, konnte daher auch zufrieden

feststellen „dass der Ansatz, den wir gemeinsam entwickelt haben, in den Schulen angekommen ist.“ Denn in diesem Konzept lassen sich ohne weiteres Fortbildung und Schulentwicklung miteinander verbinden. Wie erfolgreich ein solches Unterstützungsangebot tatsächlich ist, zeigt sich jedoch erst in seiner Wirkung in der schulischen Praxis. „Und dazu haben die Schulen selbst beigetragen. Die Bereitschaft, das Thema „Kompetenzorientierung“ zum eigenen Thema zu machen und es für die eigene Schul- und Unterrichtsentwicklung zu nutzen, hat die guten Ergebnisse, die wir heute zur Kenntnis nehmen können, erst möglich gemacht“, ist Maitzen überzeugt. Ralph Hartung vom Hessischen Kultusministerium stellte in seinem Grußwort die Verbindung zur Entwicklung der Bildungsstandards und der Schulcurricula her. Ab 1. August gelten in Hessen die neu entwickelten Kerncurricula. Auf deren Basis können die Schulen eigene Schulcurricula entwickeln. Darin legen sie fest, wie der Kompetenzaufbau konkret betrieben werden soll und mit welchen Inhalten und didaktischen Formaten im Unterricht gearbeitet wird. Das Schulcurriculum orientiert sich gezielt an der konkreten Situation der jeweiligen Schule. Das Ministerium wird demnächst den Schulen dazu fachliche Leitfäden zur Verfügung stellen. Diese bieten beispielhafte Auszüge aus Schulcurricula, stellen Bezüge zu den einzelnen Fächern her und beschreiben geeignete Unterrichtssequenzen. Die Leitfäden sollen zugleich ein offenes Instrument der Planung und Entwicklung

sein und sukzessive mit „guten Beispielen aus der Praxis“ erweitert werden. Wirkungsvoll ist ein Fortbildungsprojekt gerade dann, wenn die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer die entwickelten Materialien und Methoden in ihr „persönliches Unterrichtsrepertoir“ übernehmen. Darin zeigt sich auch seine Nachhaltigkeit. Nicht zuletzt deshalb war das Fortbildungsprojekt in den einzelnen Schulen verankert, getragen von Kollegien, Fachgruppen und regionalen Netzwerken. Die so gewonnene Nachhaltigkeit nützt den Schulen gewiss auch bei weiteren Entwicklungsaufgaben wie z. B. bei der Erarbeitung eines Schulcurriculums. Dies gilt auch für die Institutionen des schulischen Unterstützungssystems, die aus dem erfolgreichen Verlauf des Projekts Rückschlüsse für die Entwicklung künftiger Fortbildungsangebote ziehen können. Als besonderer Höhepunkt der Abschlussveranstaltung referierte der Hamburger Bildungsforscher Peter Struck über internationale und nationale Reformansätze in Schule und Bildung. Immerhin gelten von den rund 43.000 Schulen in Deutschland inzwischen etwa 5.000 als „hervorragend“. Seit dem PISA-Schock habe sich einiges zum Positiven entwickelt. Doch es werde weitere große Anstrengungen brauchen, wenn sich das Schulsystem in Deutschland insgesamt weiter verbessern solle. Der Bildungsforscher plädierte, Erkenntnisse der Hirnforschung und der Lernforschung stärker als Gestaltungsgrundlagen für guten Unterricht zu nutzen. Walter Zoubek

Vom Slam Poetry bis Schultheater: Beiträge des AfL auf den Hochschultagen Berufliche Bildung in Osnabrück Das Amt für Lehrerbildung war auf den Hochschultagen 2011 bei der Fachtagung „Sprachen“ vertreten. Organisiert und moderiert wurde diese von Dr. Karl-Heinz Jahn, Studienseminar in Darmstadt, gemeinsam mit Prof. Grundmann/Hamburg. Zu den Themen Umgang mit Fachsprache, Förderung der Lesekompetenz und zur kulturellen Praxis im Unterricht an Beruflichen Schulen konnten wichtige Referentinnen und Referenten gewonnen werden: Michael Bachmann von der Gutenbergschule, Frankfurt referierte über Theater in der Schule. Slam Poe28

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try als eine Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler für Literatur zu begeistern, stellte Dr. Alexander Deppert von der Alice-Eleonorenschule in Darmstadt vor, und das Studienseminar in Kassel unter Leitung von Jürgen SchröterKlaenfoth war mit der Präsentation eines Filmprojektes vertreten. Margitta KöhlerKnacker vom Fortbildungsteam im AfL verdeutlichte in ihrem Beitrag, dass Lese- und Sprachförderung auch im Fachunterricht an Beruflichen Schulen sinnvoll ist, und stellte Möglichkeiten und Methoden zum selbstständigen Erarbeiten von Fachtexten vor. In einem

weiteren Beitrag machte Dr. Jahn deutlich, wie durch die Einbindung von aktuellen Beispielen aus den Medien die Arbeit mit Fachtexten lebens- und praxisnah gestaltet werden kann. Der aktuelle EU-Bildungsbericht verweist auf die nach wie vor dringende Verbesserung und Förderung der Lesekompetenz. Das Fortbildungsteam im AfL stellt u.a. dazu Abrufangebote für Schulen bereit. Infos dazu unter: http://afl.lakk. bildung.hessen.de/beruf/index.html Margitta Köhler-Knacker

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„Kunst macht Schule – Kunst verbindet” Eine Ausstellung im Pädagogischen Haus in Wiesbaden Kunst verbindet Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten – auch über verschiedene Arbeitsfelder hinaus. Die zweite Kunstausstellung zum Thema „Kunst macht Schule“ im Pädagogischen Haus in Wiesbaden, die im März dieses Jahres feierlich eröffnet wurde, stellte den inklusiven Blick in den Mittelpunkt. Eine inklusive Sichtweise beinhaltet die Abkehr von der Defizitperspektive und richtet den Blick auf die Bedürfnisse des Individuums, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Kultur, Religion und den eigenen Fähigkeiten. Durch die enge Kooperation zwischen den Studienseminaren und dem Verein „Kunstwerker“ konnten vielfältige Exponate von Kindern, Lehrkräften und Referendarinnen und Referendaren ausgestellt werden. Was sie verbindet, ist der Gedanke der Inklusion, bei dem es darum geht, Unterschiede produktiv wahrzunehmen und für einen Gestaltungs- oder Erlebnisprozess zu nutzen. Dabei steht nicht mehr die Integration einer bestimmten Gruppe, sondern die gleichberechtigte Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen im Vordergrund. Die ausgestellten Exponate verbinden Räume, unterschiedliche Standorte und Institutionen: Kunst verbindet Menschen. „Immer wieder anders“ – die Malwerkstatt am Samstag – hat sich in den letzten Jahren zu einem vielfach wahrgenommenen Angebot für Kinder mit und ohne Behinderung gleichermaßen entwickelt. Diese Form der offenen Jugendarbeit wird vom Studienseminar aus mitbegleitet. Die Grundidee des Konzeptes – vom individuellen Ausdruck zum gemeinsamen Farberlebnis – basiert auf der Überzeugung, dass das Erfahren des persönlichen Ausdrucks die Grundlage des schöpferischen Tuns in der Gemeinschaft darstellt und zieht sich wie ein roter Faden durch die EigenArt-Reihe. Vermeintliche Grenzen werden aufgelöst und es wird Einfluss auf die Gestaltung sozialer Prozesse genommen. Hatte sich EigenArt I noch ausschließlich mit dem individuellen Ausdruck beschäftigt, so wurde bei EigenArt II der Ansatz durch das Gestalten gemeinsamer Bilder („Zusammenbilder“) erweitert. Ein weiteres Vorhaben betont das gemeinsame Arbeiten von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst und im Schuldienst. Die Kooperation zwischen den Studienseminaren und den „Kunstwerkern“, die sich mit Gestaltungsan-

Eröffnet wurde die Ausstellung von dem Koordinator für Kunstausstellungen im Pädagogischen Haus in Wiesbaden, Dr. Holzbeck, in Anwesenheit der Schuldezernentin Rose-Lore Scholz und vieler Künstlerinnen und Künstler. Hier die Leiterin des Studienseminars, Dr. Neidhart, im Gespräch mit Dr. Holzbeck.

geboten an Kinder und Jugendliche wendet, findet seit mehreren Jahren statt. Angehende Lehrkräfte erproben hier künstlerische Umsetzungsmöglichkeiten unter der fachlichen Begleitung von Kunstpädagogen. In diesem Jahr wurde unter dem Leitthema „Heterogenität“ der Frage künstlerisch nachgegangen: Wie kann durch kreativ-gestalterische Angebote in der Schule verantwortungsvolles, wertorientiertes Handeln von Kindern und Jugendlichen gefördert werden? Diese Frage wird durch fächerübergreifende Projektvorhaben bearbeitet, die gemeinsam geplant, durchgeführt und ausgewertet werden. Das Besondere: An den Veranstaltungen nehmen Lehrkräfte aus dem Vorbereitungs- und aus dem Schuldienst teil. Mit der Zielsetzung, „Kunst macht Schule – mit Kunst Werte begreifen“ sollen die Akzeptanz der unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten von Schülerinnen und Schülern, divergierende ethisch-religiöse Auffassungen, Toleranz und gegenseitige Wertschätzung gefördert werden. Wie gelingt so etwas? In einer Grund- und Förderschule in Idstein werden die Außenwände eines Begegnungsortes gestaltet. Ganz anders geht die Schule für Erziehungshilfe in Wiesbaden das Thema an: Dort werden aus Müll Gebrauchs- und Kunstgegenstände hergestellt, um die Bedeutsamkeit der Müllvermeidung und einen wertschätzenden Umgang mit Rohstoffen zu erfahren. In Geisenheim gestaltet die Förderschule für Lernhilfe Skulpturen zum Thema „Wir bauen eine Arche“. Das Vorhaben soll die Gemeinschaft fördern und zum Identifikationssymbol werden. In eine ganz andere Richtung zielt das Vorhaben in einer Grundschule in Wiesbaden. Dort wird ein konfessionell

übergreifender Entlassgottesdienst am Ende der Grundschulzeit gemeinsam geplant, wobei kreative Gestaltungselemente verwendet werden. Die Projekte sind auf Nachhaltigkeit ausgelegt und werden gemeinsam von Ausbildern, Künstlern und Mentoren vor Ort mit den LiV begleitet und evaluiert. Die hier skizzierten Vorhaben bilden nicht das gesamte Spektrum der Projekte und Vorhaben im Rahmen der Ausstellung ab. Aber sie illustrieren an einigen Beispielen gelungene Schritte in Richtung „Kunst macht Schule – Kunst verbindet” Dr. Thomas Holzbeck Studienseminar GHRF Wiesbaden

In einem anderen Projekt gestalteten Kinder Glasbausteine mit ihren Wünschen zu einer kindergerechten Einkaufswelt. Einzelne „Glasfenster“ wurden zu Türmen zusammengebaut. Zusammen mit einem Bodenmosaik aus bemalten Pflastersteinen entstanden Wege, die das bunte „Fensterhaus“ mit einem Wunsch-Karussell zu Stadtplanung sowie den Dernschen Höfen verbanden. BILDUNG BEWEGT NR.13 JUN/2011

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Zertifikate für besseren Unterricht – Das Qualifizierungsprogramm des Amtes für Lehrerbildung hat bereits mehr als 500 Schulen in Hessen erreicht 66 Lehrkräfte für das Fach Deutsch erhielten am 23. März in Weilburg ihre Zertifikate als Fortbildnerin bzw. Fortbildner. Sie sollen künftig ihre Fachschaften in ganz Hessen bei der Unterrichtsentwicklung unterstützen. Besserer Unterricht steht und fällt mit der Professionalität der Lehrerinnen und Lehrer im Klassenraum. Das Amt für Lehrerbildung hat daher bereits 2007 eine Qualifizierungsinitiative in mehreren Fächern gestartet, an der sich hessenweit inzwischen über 500 Schulen beteiligen. In seiner Konzeption löst das hessische Fortbildungsprojekt zahlreiche Anforderungen aus Bildungsforschung und -politik ein. Das Gesamtprogramm „Kompetenzorientiert unterrichten – Bildungsstandards nutzen“ ist in seinem Umfang, Mitteleinsatz und in seiner Qualitätssicherung bislang einzigartig in Deutschland.

Ein Leitungsteam des AfL hatte die modular ausgerichtete Qualifizierung zur Fortbildnerin bzw. zum Fortbildner für kompetenzorientiertes Unterrichten im Fach Deutsch konzipiert und dabei intensiv mit Lernpsychologen, Fachwissenschaftlern und Personalentwicklern kooperiert. Basismodule der Fortbildung - etwa zur ‚Kompetenzentwicklung durch neue Aufgabenkulturen’ oder ‚Individuell fördern – Lernen begleiten im Deutschunterricht’ – werden bereits seit dem 2. Halbjahr 2009/10 hessischen Schulen angeboten, so berichtet die Projektkoordinatorin im Fach Deutsch, Sabine Schindler, und freut sich, dass „annähernd 100 Fachschaften Deutsch schon erreicht worden sind“. Gemeinsam mit der Einführung der Bildungsstandards und Kerncurricula steht Kompetenzorientierung – nicht nur in Hessen – im Mittelpunkt der Debatte um Schul- und Unterrichtsqualität und den Lern- und Kompetenzzuwachs jedes einzelnen Lernenden. Stolz weist Dorothee Gaile, Leiterin Unterichtsentwicklung im Fach Deutsch im AfL, darauf hin, dass die Fortbildnerinnen und Fortbildner, die nun ihre Qualifizierung abgeschlossen haben, aus ganz Hessen kommen. „Vom Werra-Meißner-Kreis bis zur Bergstraße bilden sie regionale Fortbildnertandems.“

Die international anerkannte Expertin des AfL, die das erfolgreiche Programm auch europaweit in entsprechenden Gremien vertritt, erläutert einige Erfolgskriterien des Qualifizierungsprogramms: Während der Qualifizierung werden die verschiedenen Themen nach dem Prinzip des „pädagogischen Doppeldeckers“ bearbeitet. Dies bedeutet, dass alle Gegenstände der Fortbildung in der Rolle der Lernenden handelnd erlebt und anschließend im jeweiligen Arbeitskontext einer Praxisprüfung unterzogen werden. Die Lernerfahrungen, den Einsatz der Fortbildungsinhalte im eigenen Unterricht und in der Fortbildung dokumentieren die Fortbildungsteilnehmer in Portfolios. „Aber auch wenn die 66 hier heute ihre Bescheinigung erhalten haben, Fortbildende bleiben immer Lernende!“, fügt Dorothee Gaile hinzu und verweist auf weitere Fortbildungsmöglichkeiten. Das Amt für Lehrerbildung bietet in zentralen Netzwerktagungen die Möglichkeit, aktuelle bildungspolitische Anforderungen und fachdidaktische Entwicklungen in ihre Fortbildungsaktivitäten einzubeziehen, um auf den individuellen Bedarf der Schulen in der Region passgenau reagieren zu können. Sabine Stahl

NEUE VERÖFFENTLICHUNG Experimentieren in Naturwissenschaften 5/6 68 Einstiegsversuche zur Begegnung mit Natur und Technik Die Bedeutung des Experiments als eines der wichtigsten Instrumente naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Experimentieren in Naturwissenschaften 5/6 bietet Schülerexperimente und passende Lehrerbögen, wobei besonderes Augenmerk auf die in Schulen vorhandenen Arbeits- und Experimentierbedingungen gelegt wurde. Es werden einfache Experimente mit leicht zugänglichen Materialien vorgestellt, der zeitliche und organisatorische Vorbereitungs- und Arbeitsaufwand ist daher relativ gering. Die Versuche können als Schülerexperimente in Klassen mit regulärer Klassenstärke durchgeführt werden. Die meist einfach handhabbaren Experimente laden zum unbefangenen Ausprobieren und Erkunden ein und bieten Gelegenheit, zielorientiert nach Lösungen naturwissenschaftlicher Probleme zu suchen, im reflexiven Austausch über naturwissenschaftliche Fragestellungen eigene Erklärungsmodelle und Hypothesen zu bilden und das genaue Beobachten und Beschreiben zu erlernen und einzuüben. Nach und nach kann so mit Schülerinnen und Schülern das planvolle Experiment und dessen Auswertung als eines der wichtigsten naturwissenschaftlichen Handlungsmuster herausgearbeitet werden. Die einzelnen Versuche sind den Themenfeldern „Feuer“, „Wasser“, „Luft“, „Vom ganz Großen und ganz Kleinen“, „Mein Körper“, „Stoffe im Alltag“, „Technik im Alltag“ sowie „Pflanzen-Tiere-Lebensräume“ zugeordnet. Die thematischen Anordnung der Versuche folgt der Grundidee, aus der Abfolge ein Curriculum entwickeln zu können. Autoren: Auflage: Bestell-Nr.: Preis: 30

Reimund Krönert, Ruth Leidinger, Claus Overmann, Annett Reiche, Peter Slaby, Jens Zimmermann 1. Aufl. Dezember 2010, 165 Seiten 03178 19,80 € (zuzügl. Versandkosten)

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Der Ordner ist ab sofort zu beziehen bei: EKOM Bestellservice AfL Schulstr. 48, 65795 Hattersheim Fax: 06190 8927-20 Mail: [email protected]

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Terminhinweise Veranstaltungen im Mai 2011 11.



11.

Abschlussveranstaltung des Projekts „Kompetenzorientiert unterrichten in Mathematik und Naturwissenschaften“ Ort: Saalbau Gallus, Frankfurt Nähere Informationen: [email protected] Medienpädagogische Fachtagung Grundschule: Fachtagung des Hessischen Rundfunks, der Stiftung Zuhören und des Arbeitskreises Radio und Schule mit Arbeitsgruppen zu den Themen: Audioarbeit mit Kindern, neue auditive Kindermedien im Unterricht und für Hörclubs, Einführung in die Hörclubarbeit. Ort: Hessischer Rundfunk, Frankfurt Nähere Informationen: www.hr-online.de

13.-14. Einstieg Abi: Die Abiturientenmesse informiert Schüler der Oberstufe über Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten nach dem Abitur Ort: Messe Frankfurt Nähere Informationen: www.einstieg.com



Veranstaltungen im Juni 2011 7.

10. 11.

17. 18.

Länderkonferenz MedienBildung LKM-Fachdialog: Medienzentren 2020 – Zur Zukunft kommunaler Unterstützungssysteme der Medienbildung in Deutschland Ort: Medienzentrum Frankfurt Nähere Informationen: www.laenderkonferenz-medienbildung.de Feierliche Zeugnisübergabe für die Ersten Staatsprüfungen / Marburg Ort: Audimax der Philipps-Universität Marburg Feierliche Zeugnisübergabe für die Ersten Staatsprüfungen / Kassel Ort: Mensa am Holländischen Platz, Universität Kassel Feierliche Zeugnisübergabe für die Ersten Staatsprüfungen / Gießen Ort: Audimax, Justus-Liebig-Universität Gießen Feierliche Zeugnisübergabe für die Ersten Staatsprüfungen / Frankfurt Ort: Casino, Campus Westend, J.W. Goethe-Universität Frankfurt

Adressen & Ansprechpartner Amt für Lehrerbildung Hauptsitz: Erwin-Stein-Haus Stuttgarter Straße 18-24, 60329 Frankfurt www.afl.hessen.de [email protected] Tel.: +49 (0) 69 38 989-00 Fax: +49 (0) 69 38 989-607 Leitung des Amtes für Lehrerbildung Direktor: Frank Sauerland Tel. + 49 (0) 69 38 989-300 Ständige Vertreterin des Direktors: Helga Kennerknecht Tel. + 49 (0) 69 38 989-310 Ständiger Vertreter des Direktors: Joachim Schmidt Tel. + 49 (0) 69 38 989-201 Erste Staatsprüfungen Hartmut Hasenkamp Tel. + 49 (0) 6421 616 474 Bewerbungen für den Vorbereitungsdienst Manfred Lück Tel. + 49 (0) 561 80 78-197 Vorbereitungsdienst und Zweite Staatsprüfungen Grund-, Haupt-, Real- und Förderschule: Renate Kummetat Tel. + 49 (0) 69 38 989-302 Gymnasium: Helga Kennerknecht Tel. + 49 (0) 69 38 989-310 Berufliche Schule: Wolfgang Rupp Tel. + 49 (0) 69 38 989-313 Fortbildung, Weiterbildung und Führungskräfteentwicklung Fortbildung Unterrichtsentwicklung: Dr. Christian Kubina Tel. + 49 (0) 69 38 989-206 Weiterbildung: Sibylle Buchtalek Tel. + 49 (0) 641 48 00 36 23 Führungskräfteentwicklung: Carmen Kloft Tel. + 49 (0) 6257 93 46-50 Public Relations und Publikationen Sabine Stahl Tel. + 49 (0) 69 38 989-254 Bestelladresse für Publikationen und Drucksachen E-Mail: [email protected] Die Tagungseinrichtungen des Amtes für Lehrerbildung

Rhein-Main-Gebiet / Erwin-Stein-Haus Stuttgarter Straße 18-24, 60329 Frankfurt Tel. + 49 (0) 69 38 989-330 Nordhessen / Reinhardswaldschule Rothwestener Straße 2-14, 34233 Fuldatal Tel. + 49 (0) 561 810 10 Mittelhessen / Weilburg Frankfurter Straße 20-22, 35781 Weilburg Tel. + 49 (0) 6471 32 81 00

Impressum Herausgeber: Amt für Lehrerbildung Gesamtverantwortung: Sabine Stahl Redaktion: Sabine Stahl, Walter Zoubek, Justina Heinz Lektorat: Rolf Engelke Layout und Gestaltung: www.sixfeetone.de, Frankfurt/Main Druck und Verarbeitung: Druckerei Hesse, Fuldatal Mediadaten und Anzeigenannahme: Walter Zoubek Erscheinungsweise: vierteljährlich Auflage: 4000 Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe: 28. Juli 2011



Veranstaltungen im Juli 2011

Amt für Lehrerbildung Stuttgarter Straße 18–24 60329 Frankfurt [email protected]

1.

Feierliche Zeugnisübergabe für die Ersten Staatsprüfungen / Darmstadt Ort: Amt für Lehrerbildung, Prüfungsstelle Darmstadt BILDUNG BEWEGT NR.13 JUN/2011

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JUNIOR in Hessen: Auch Ihre Schüler können ein Unternehmen gründen

Gestaltung: www.konturenreich. de | Redaktion: Karen Lunze, JUNIOR | Fotos: Nabil Hanano

Schüler erleben Wirtschaft live – In Hessen ist das mit JUNIOR seit 2002 möglich. Und auch Sie und Ihre Schüler können im kommenden Schuljahr mit dabei sein. Melden Sie sich einfach mit einer Gruppe mit mindestens 8 Schülern bei der JUNIOR-Geschäftsstelle an. Wir betreuen Sie das ganze Jahr, bieten nationale und internationale Veranstaltungen, ein bundesweites Netzwerk und ein seit 17 Jahren erprobtes Konzept – Versicherung der Geschäftsidee inklusive. Die Teilnahme ist kostenlos. Die umfangreichen Materialien ebenfalls.

Selbstständig ein Unternehmen führen JUNIOR ist kein Planspiel, sondern die Schüler gründen ein echtes Schülerunternehmen. Das bedeutet, dass sie mit Geld und Kunden umgehen, sich im Team organisieren und über ein Schuljahr lang ein Ziel verfolgen. Dabei gewinnen sie Einblicke in den Unternehmensalltag und erfahren, wie Wirtschaft funktioniert. Als außerschulischer Partner begleitet JUNIOR seit 2002 in Hessen Schulen und Schüler auf diesem Weg. Seitdem haben sich mehr als 160 Unternehmen in Hessen gegründet. Mehr als 2.300 Schüler haben auf diese Weise die eigene Geschäftsidee verwirklicht.

Nähere Informationen zu JUNIOR in Hessen: Institut der deutschen Wirtschaft Köln JUNIOR gGmbH Susanne Grimminger (Projektmanagerin Hessen) Postfach 10 19 42 50459 Köln Tel.: +49 (0)221 | 4981-693 Fax: +49 (0)221 | 4981-99 693 Anmeldung unter: [email protected]

Weitere Informationen unter: www.juniorprojekt.de

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Bundesweit wird JUNIOR seit 1994 angeboten. Mit mehr als 61.000 Teilnehmern seitdem. Teilnehmen können Schüler ab Klasse 7 (JUNIOR Kompakt) bzw. ab Klasse 9 (JUNIOR) an allgemein- und berufsbildenden Schulen.

Ihre Vorteile im Überblick Kostenlose Teilnahme Ganzjährige Betreuung der Schulpaten und Schüler durch die JUNIOR-Geschäftsstelle in Köln Vermittlung von außerschulischen Partnern als Wirtschaftspaten vor Ort Erprobtes Konzept mit umfangreichen Materialien (Handbuch, Newsletter, Themenhefte etc.) Workshops zur Einarbeitung und Durchführung des Projekts Organisation zahlreicher Veranstaltungen auf nationaler und internationaler Ebene Versicherung für jedes JUNIOR-Unternehmen (Produkt- und Betriebshaftpflichtversicherung) Anerkennung von JUNIOR als schulische Veranstaltung durch das hessische Kultusministerium JUNIOR dient der praktischen Berufswahlorientierung

Mit Teamgeist zum Erfolg Wie in jeder gut funktionierenden Firma spielt Teamwork auch bei JUNIOR eine zentrale Rolle. Dazu gehört es, Verantwortung zu übernehmen, Aufgaben zu verteilen und gemeinsam Probleme zu lösen. JUNIOR stärkt diese sozialen Kompetenzen und fördert Schlüsselqualifikationen wie Kreativität und Selbstständigkeit.

JUNIOR 2011/2012: Anmeldung jetzt möglich!

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JUNIOR wird in Hessen unterstützt durch: Hessisches Kultusministerium Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände Arbeitsgemeinschaft hessischer Industrie- und Handelskammern Arbeitsgemeinschaft der hessischen Handwerkskammern Landesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT Hessen